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Die Mutter der Königin (German Edition)

Die Mutter der Königin (German Edition)

Titel: Die Mutter der Königin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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führen, will ich es wissen. Wenn die englischen Lords, die sich in keiner Sache einig sind, einander zerfleischen, will ich es wissen.»
    «Gut», sage ich, denn ich sehe keinen Ausweg. «Aber keine große Deutung.» Das vermindert zumindest die Möglichkeit einer Reihe pessimistischer Vorhersagen. «Nur eine einzige Karte. Nehmt die Karten und mischt sie.»
    Ihre kleinen Hände schließen sich um die Karten, sie mischt sie und legt sie vor sich.
    «Jetzt teilen.»
    Sie teilt sie und legt den Packen zusammen. Ich fächere ihn vor ihr im Bogen auf, die Bilder verdeckt, die wunderschön bemalten Rückseiten schimmern auf der Wolldecke des Bettes. «Wählt eine Karte», sage ich. «Eine verrät Euch genug.»
    Ihr rotgoldenes Haar fällt über ihr hübsches ernstes Gesicht, als sie sich vorbeugt, mit dem Finger über die Karten fährt und eine auswählt. Die sie, ohne sie anzusehen, ans Herz drückt.
    «Und jetzt?»
    Ich schiebe den Stapel zusammen und sage dann zu Marguerite: «Zeigt sie mir.»
    Sie dreht die Karte um.
    Es hätte schlimmer kommen können.
    Es ist die Karte, die die Jungfrau von Orléans vor vielen Jahren in meinen Händen sah: Das Rad des Schicksals.
    « La Roue de Fortune », liest sie. «Ist das gut? Ist das sehr gut?»
    Die Karte zeigt ein Rad, auf dessen Seiten zwei wilde Tiere balancieren, eines klettert an ihm hoch, das andere stürzt hinunter, wenn das Rad sich dreht. Der Hebel des Rades geht über den Rand der Karte hinaus, sodass man nicht erkennen kann, wer es dreht. Vielleicht dreht es sich aufs Geratewohl. Ganz oben hockt ein lustiges kleines blaues Tier mit einer Krone und einem Schwert. Meine Großtante hat mir erzählt, dieses kleine Tier zeige, dass es möglich sei zuzusehen, wie das Rad sich dreht, ohne Stolz oder Reue zu empfinden. Man kann darüberstehen und mit wahrer Gleichgültigkeit, die echter Geistesgröße entspringt, zusehen, wie das eigene Leben steigt und fällt. Man kann den eigenen Ehrgeiz betrachten, als wäre er nichts als eine eitle Maske, ein Narrentanz. Eine unpassendere Karte hätte Marguerite nicht ziehen können. Sie ist überhaupt kein gleichgültiges Mädchen.
    «Die Karte ist gut und schlecht zugleich», erkläre ich. «Sie ist eine Art Warnung, dass Ihr sehr hoch aufsteigen und sehr tief fallen könnt. Sie besagt, dass das Rad des Schicksals Euch ohne eigenes Zutun, ohne eigenes Wirken sehr hoch hinaufbringen kann. Und dann kann es Euch sehr tief stürzen lassen.»
    «Und wie komme ich wieder nach oben?», fragt sie mich, als wäre ich ein altes Kräuterweib, das für einen Silberpenny wahrsagt.
    «Das könnt Ihr eben nicht», antworte ich ungeduldig. «Es geht ja gerade darum, dass Ihr nichts dafür tun könnt und nichts dagegen. Es geht darum, dass man das eigene Schicksal nicht bestimmen kann. Ihr seid auf dem Rad des Schicksals, genau wie dieser arme Affe in der eleganten Livree, der gleich hinabstürzen wird. Er kann nichts dagegen tun; Ihr könnt nichts dagegen tun.»
    Mürrisch verzieht sie das Gesicht. «Das ist aber nicht viel», findet sie. «Und überhaupt, steigt das andere Tier nicht auf? Diese kleine Katze da? Vielleicht bin ich die Katze und werde steigen und steigen.»
    «Vielleicht», sage ich. «Doch dann geht es oben um das Rad herum, und Ihr fallt wieder hinab. Ihr sollt lernen, damit zu leben, was auch immer geschieht, als wäre das eine so gut wie das andere.»
    Sie sieht mich verständnislos an. «Aber das eine ist nicht so gut wie das andere. Sieg und Niederlage sind nicht dasselbe. Ich will nur Siege.»
    Ich denke an Jeanne d’Arc und an das Zeichen, das sie mit dem Zeigefinger in die Luft gezeichnet hat, den Kreis, der bedeutete, dass alles Staub ist. Ich zeichne es für Marguerite in die Luft. «Das Rad des Schicksals», sage ich. «Es ist Eure Karte, Ihr habt sie gezogen. Ihr habt darauf bestanden, die Karten zu legen, und dies ist die Karte, die Ihr bekommen habt. Sie sagt uns, dass wir alle nur Siege wollen. Wir alle wollen triumphieren. Doch wir alle müssen lernen zu ertragen, was geschieht. Wir müssen lernen, großes Pech und großes Glück mit demselben Gleichmut hinzunehmen. Das ist Weisheit.» Ich betrachte ihr hübsches niedergeschlagenes Gesicht und sehe, dass sie wenig Interesse für Weisheit aufbringt. «Aber vielleicht habt Ihr ja Glück.»

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    Titchfield Abbey, Hampshire
SOMMER 1445
    Z unächst hat sie Glück. Sie lernt den König kennen, und die beiden mögen einander vom ersten Augenblick an

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