Die Mutter der Königin (German Edition)
die Meerjungfrauen sagten ‹Amen›.»
Im nächsten Jahr folgt auf Anthony ein weiteres Mädchen, das wir Mary nennen, und nach ihr noch ein Mädchen. «Jacquetta», verkündet mein Gemahl. «Sie soll Jacquetta heißen und den Namen der schönsten Frau tragen.»
Wir beugen uns über die Holzwiege, in der unsere Tochter schläft, die zarten Wimpern über den rosigen Wangen. Ihre Augenlider zittern leicht, sie träumt. Ich frage mich, wovon Säuglinge träumen. Wissen sie, dass sie Eltern wie uns geboren worden sind? Sind sie vorbereitet auf die von uns geschaffene Welt? Richard umfasst meine Taille. «Auch wenn wir sie lieben, müssen wir uns für eine kurze Weile von ihr trennen.»
«Hmm?» Ich bin völlig versunken in den Anblick ihrer winzigen Faust.
«Wir müssen sie für eine kurze Zeit verlassen.»
Jetzt hat er meine ganze Aufmerksamkeit, ich wende mich ihm in seinen Armen zu. «Warum?»
«Wir fahren mit großer Gesellschaft nach Frankreich, um die Braut des Königs abzuholen.»
«Dann ist es entschieden?» Die Eheschließung von König Henry wird seit langem erwartet. Schon mein erster Gemahl, Lord John, hat französische Prinzessinnen für ihn ins Auge gefasst, als ich gerade seine Braut geworden war. «Endlich?»
«Während der Niederkunft hast du den ganzen Tratsch verpasst. Ja, jetzt ist es endlich entschieden. Und sie ist eine Verwandte von dir.»
«Marguerite!», rate ich sofort. «Marguerite d’Anjou.»
Zur Belohnung bekomme ich einen Kuss. «Du bist so schlau. Und weil deine Schwester mit ihrem Onkel verheiratet ist, sollen wir beide sie aus Frankreich abholen.»
Ich betrachte das schlafende Kind.
«Ich weiß, dass du sie nicht allein lassen willst», sagt er zärtlich. «Aber wir werden Henry gegenüber unsere Pflicht erfüllen und die Braut abholen, und dann kehren wir hierher zurück. Der König hat mich zum Dienst berufen. Ich muss ihm Folge leisten.»
«Du bittest mich, die Kinderstube mit sechs Kleinkindern zu verlassen», entgegne ich. «Wie kann ich fortgehen?»
«Ich weiß», sagt er freundlich. «Aber auch du musst deine Pflicht tun. Du bist eine englische Herzogin und meine Gemahlin, und das Oberhaupt unseres Hauses bittet dich, seine Braut abzuholen. Wenn sie heiraten, wird es England und Frankreich Frieden bringen – das war der letzte Wunsch meines Lords. Du weißt, dass wir gehen müssen, Geliebte. Du weißt es. Es ist ein Dienst am König sowie an deinem ersten Gemahl und meinem guten Lord.»
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Nancy
FRÜHJAHR 1445
I ch bin nicht das einzige Mitglied der Hochzeitsgesellschaft, das sich nicht für diese Eheschließung erwärmen kann.
Von unserem Anführer, William de la Pole, erzählt man sich, er misstraue den Franzosen und sei so unbeeindruckt von dem geringen Vermögen Marguerite d’Anjous, dass er im vergangenen Jahr, bevor er England verließ, um die Verhandlungen einzuläuten, dem König den Schwur abnahm, niemand dürfe ihm je vorwerfen, die französische Prinzessin nach England gebracht zu haben.
Kardinal Beaufort, der jetzt alles bestimmt, mag dies als Weg zu dauerhaftem Frieden betrachten, doch Humphrey, der Duke of Gloucester, schwört, der Valois-König wolle mit dieser Heirat nur Zeit schinden und unsere Besitzungen in Frankreich angreifen. Mein verstorbener Gemahl hätte vor allem gefürchtet, dass dies eine neue List der Franzosen ist, damit wir die Provinzen Anjou und Maine an René d’Anjou übergeben, den Vater der neuen Königin.
Unsere Reise nach Frankreich kostet ein Vermögen, dabei finden fast alle, die in England zurückgeblieben sind, dieser Handel werde nicht unbedingt Frieden bringen, er werde uns teuer zu stehen kommen und wahrscheinlich zu unserem Nachteil ausgehen.
Die Braut wird von ihrer Mutter aus Anjou gebracht, und man erzählt sich, dass auch sie sich nicht für eine Ehe erwärmen kann, bei der sie in das Bett desjenigen Königs gelegt wird, der Frankreichs Feind war, seit sie das Licht der Welt erblickt hat.
«Du sollst sie vor allen anderen sehen und begrüßen», erklärt mir mein Gemahl. Ich stehe am Fenster der Burg und schaue in den Stallhof hinunter, wo gerade die Pferde der Truppe aus Anjou − ein trauriges Häuflein Gäule − gestriegelt, getränkt und in die Ställe geführt werden.
«Ich? Warum ich?»
«Ihre Mutter kennt deine Mutter, sie glauben, du könntest ihre Freundin werden. Du hast damals mehr oder weniger dieselbe Reise angetreten, die ihr jetzt bevorsteht, aus einer
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