Die myrrhischen drei Könige: Roman (German Edition)
Alten Tränen in die Augen stiegen.
»Ich glaube«, sagte Zacharias schließlich, »dass Gott dich auserwählt hat.«
Ja, klar …
In den beiden Tagen seit der Operation war in Zacharias’ Haus viel erzählt worden. Er hatte erfahren, wer sein Patient wirklich war. Wie er und die anderen Flüchtigen in dem Stall auf Maria und Josef trafen. Wie er sie gerettet hatte, als die Männer des Herodes in Bethlehem einfielen. Seine Nichte Maria hatte ihm von Visionen vom Engel Gabriel und ihrer wunderbaren Schwangerschaft erzählt. Dies hatte Zacharias’ Frau veranlasst, etwas zuzugeben, das sie sechs Jahre lang vor ihm verheimlicht hatte: dass derselbe Engel während ihrer eigenen wunderbaren Schwangerschaft zu ihr gekommen sei und ihr verkündet habe, ihr Sohn Johannes würde der Prophet des Messias sein. Und soeben war Zacharias ein absolut erstaunlicher Traum zu Ohren gekommen. Ein Traum, den er für eine Botschaft Gottes hielt.
»Ich glaube«, sagte er, »dass du angewiesen worden bist, auf dem Pfad zu wandeln, auf dem Mose wandelte. Wie beim Auszug der Israeliten. Ich glaube, du bist auserwählt worden, das Kind und seine Eltern nach Ägypten zu bringen.«
Das ergab durchaus Sinn. Ägypten war relativ nah und außerhalb der politischen und militärischen Reichweite des Herodes. Und obwohl es eigentlich die letzten dreißig Jahre über eine römische Provinz gewesen war, hatten die Römer kaum Einfluss auf die dortigen Angelegenheiten.
»Möchtest du wissen, was ich glaube?«, fragte Balthasar. »Ich glaube, ich habe schlecht geträumt.«
»Wirst du sie hinbringen?«
Es war nicht Zacharias’ Stimme gewesen. Balthasar wandte sich zur Tür und erblickte einen Jungen. Er hatte keine Ahnung, wer dieser Junge war und wie lange er dort gestanden hatte.
»Wirst du sie hinbringen?«, wiederholte der Junge. »Nach Ägypten?«
»Mein Sohn«, sagte Zacharias. »Du musst ihm verzeihen. Manchmal hält er sich für einen erwachsenen Mann.«
Balthasar mochte Kinder im Allgemeinen nicht. Und die Art, wie dieses hier ihn ansah, mochte er erst recht nicht. In den Augen des Jungen lag keinerlei Angst.
»Wenn ich sie hinbringen sollte«, wandte er sich wieder an Zacharias, »dann nur, weil ich in dieselbe Richtung muss. Nicht weil ich glaube, dass irgendein Gott mir eine Botschaft hat zukommen lassen.«
»Es ist gleich, ob du daran glaubst oder nicht«, sagte Zacharias. »Solange Gott an dich gl…«
»Schluss damit.«
Er würde sich nicht noch mehr von dem fanatischen Müll anhören. Noch nicht einmal von dem Mann, der ihm das Leben gerettet hatte.
»Ich sagte, ich werde es mir überlegen.«
Es waren beinahe zweihundert Meilen bis nach Ägypten, wenn sie die Route einschlugen, die Balthasar vorschwebte. Südlich an Aijalon vorbei, dann durch die Wüste nach Hebron, wo sie sich ausruhen und ihre Vorräte aufstocken würden, bevor sie die letzte Strecke in den Süden nach Ägypten in Angriff nähmen. Normalerweise schaffte er eine solche Strecke in fünf Tagen. Doch angesichts seines derzeitigen Gefolges und der Tatsache, dass sie die Hauptstraßen meiden mussten, rechnete er damit, dass es fast zweimal so lang dauern würde.
Seit der Operation waren fünf Tage vergangen, und allmählich war Balthasar wieder ganz der Alte. Frisch auf den Beinen und startklar. Caspar und Melchyor hatten dafür gesorgt, dass die Kamele Futter und Wasser bekamen. Sie hatten so viel Proviant eingepackt, wie die Tiere tragen konnten. Ihre Gewänder waren neu, sie selbst gebadet und ihre Bäuche voll. Sie waren bereit.
Und sie warteten.
Sie warteten, weil die Juden im Haus waren und wieder einmal eines ihrer uralten, sinnlosen Rituale vollzogen. Und hier haben wir den besten Beweis, dass Religion Zeitverschwendung ist! Wir hätten vor einer Stunde losreiten können.
Bei allem, was geschehen war, hatten Maria und Josef beinahe vergessen, dass die Geburt ihres Babys acht Tage her war. Laut jüdischem Gesetz wurden Jungen an ihrem achten Tag beschnitten und bekamen ihren Namen. Normalerweise wäre die Beschneidung von einem Mohel durchgeführt worden – einem Ältesten, den der Vater auswählte, für gewöhnlich handelte es sich um einen Rabbi. Doch unter den gegebenen Umständen musste ein Arzt mit zittrigen Händen herhalten. Maria und Josef hielten sich an den Händen, als sie zusahen, wie Zacharias mit dem Skalpell hantierte und sich über das Baby beugte.
Beide beteten insgeheim und baten Gott, seine Hand zu führen.
»Euch aber
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