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Die myrrhischen drei Könige: Roman (German Edition)

Die myrrhischen drei Könige: Roman (German Edition)

Titel: Die myrrhischen drei Könige: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Seth Grahame-Smith
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über seinem Kopf immer größer wurde.
    Vertrau deinem Instinkt, Balthasar.
    Und das tat er. Doch als der Splitter so nahe war, dass Balthasar die Umrisse von Kratern auf der Oberfläche erkennen konnte, siegten seine Beine über sein Gehirn und bewegten sich von allein. Erst langsam, dann in vollem Sprint die Uferböschung hinauf und in die Wüste dahinter.
    Er spürte die Erde erzittern, als der Splitter in die Wüste hinter ihm einschlug, genau wie die Erdbeben in Antiochia, die ihm noch im Gedächtnis waren, bloß tausendmal so heftig. Hinter ihm stob eine Wand aus Schutt vom Wüstenboden empor, getragen von der Schockwelle des Aufpralls. Ein Mann konnte vielem davonlaufen, besonders ein Mann, der so schnell wie Balthasar war. Doch eine Schockwelle aufgrund des Zusammenpralls von Mond und Erde war etwas anderes. Balthasar blieb nichts anderes übrig, als sich auf den Boden zu werfen und sie so zu überstehen. Er ließ sich auf den Bauch fallen und lag so flach wie möglich im Sand, den Kopf mit den Armen bedeckt.
    Der erste Schutt prasselte von hinten auf seine Beine. Die schmerzhaften Körner eines Sandsturms, wie er sie schon früher ausgestanden hatte. Und dann die Welle. Sie traf ihn wie eine riesige Faust. Der Lärm war ohrenbetäubend. Der Schutt riss an seiner Kleidung und an seiner Haut.
    Der Druck sog die Luft aus seiner Lunge. Wenn es einen Gott gab, war dies der Klang seiner Stimme.
    Dann war es vorbei. Und die Wüste war auch nicht mehr da.
    Balthasar hob den Kopf. Er befand sich in einem gewaltigen Zimmer mit Wänden in leuchtenden Farben, deren Oberfläche glatter war, als er es für möglich gehalten hätte. Sogar noch glatter als Glas. Drei der Wände waren purpurn: hinter ihm, vor ihm und zu seiner Linken. Die Wand rechts von ihm war jedoch rosa. Eine Farbe, die er im Kaiserreich nur selten gesehen hatte, höchstens einmal auf den errötenden Gesichtern hellhäutiger Römerinnen. Der Boden war makellos weiß. Ein weißer Tisch vor ihm, ein weißer Stuhl unter ihm, und eine weiße Zimmerdecke weit, weit über ihm.
    Ein Mann stand am anderen Ende des Zimmers, Balthasar den Rücken zugekehrt. Ein Mann mit langen grauen Haaren und dazu passendem Gewand. Anscheinend goss er mit der linken Hand etwas aus einem Lehmkrug, in der rechten hielt er einen hölzernen Wanderstab.
    Der grauhaarige Mann drehte sich um, einen hölzernen Becher in der linken Hand. Sein Gesicht war älter, als Balthasar erwartet hatte. Beinahe unnatürlich alt, mit tiefen Ringen unter den trüben Augen. Seine Haut hatte im Laufe der Jahre offensichtlich reichlich Sonne abbekommen, seine Hände reichlich Arbeit gesehen. Der alte Mann schlurfte über den sauberen weißen Boden und setzte sich Balthasar gegenüber an den Tisch. Er musterte Balthasar kurzzeitig mit seinen verschleierten Augen, dann schob er den Becher über den Tisch.
    »Trink.«
    Balthasar tat wie geheißen. Das kühle, klare Wasser war möglicherweise das Beste, was er je zu sich genommen hatte. Und als Balthasar genug getrunken hatte, wischte er sich über den Mund und sprach. »Wer bist du?«
    »Ein Bote.«
    »Von wem?«
    Der alte Mann lächelte ihn an. Es war ein vertrautes Lächeln. Eines, das Balthasar mehr verhasst war als jedes andere. Das blasierte, selbstgefällige Lächeln eines Mannes, der sich für klug hält.
    »Schön«, sagte Balthasar. »Wie lautet dann also die Botschaft?«
    »Du darfst das Kind nicht sterben lassen.«
    Während Balthasar auf der Spitze einer Pyramide in Stücke gerissen worden war, gesehen hatte, wie Fische in einem Fluss aus Blut kochten, und vor dem zerborstenen Mond davongelaufen war, hatte er das Baby beinahe vergessen.
    »Ich habe es nicht zurückgelassen. Ich habe es gerettet.«
    »Noch nicht. Du musst noch etwas länger bei ihm bleiben.«
    »Ich ›muss‹ gar nichts.«
    Der alte Mann betrachtete ihn mit seinen trüben Augen.
    »Wenn du es tust, wirst du dein ganzes Leben lang nie wieder stehlen müssen. Du wirst reich sein.«
    Was ist denn das – Bestechung? Hielt man dem Dieb ein bisschen Gold vor die Nase und sah zu, wie er parierte? Wenn du glaubst, ich lasse mich so einfach in Versuchung führen, bist du …
    »Wie reich?«
    »Reicher als Herodes. Selbst reicher als Augustus.«
    Du hältst mich wohl für blöd. Kein Mensch könnte jemals so reich sein. Und selbst wenn, kannst du unmöglich ein solches Versprechen geben …
    »Wie lang muss ich bei ihm bleiben?«
    Der alte Mann lächelte. »Bis du ihn

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