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Die myrrhischen drei Könige: Roman (German Edition)

Die myrrhischen drei Könige: Roman (German Edition)

Titel: Die myrrhischen drei Könige: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Seth Grahame-Smith
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loslässt.«
    »Was zur Hölle soll das denn heißen?«
    »Worum ich dich bitte, ist nicht einfach. Heere werden euch verfolgen.«
    »Mit Heeren werde ich fertig.«
    »Nicht nur Menschenheere.«
    Balthasar runzelte die Stirn und spitzte die Lippen. »Was für Heere gibt es denn sonst noch?«
    Der alte Mann lächelte erneut. Doch dieses Lächeln war anders. Weniger blasiert, dafür unheilvoller. Ein Du-wirst-schon-sehen-Lächeln. Balthasar änderte seine Meinung. Dieses Lächeln hasste er am meisten.
    »Ich sagte, welche andere Art von Heer?«
    »Warum trinkst du nicht noch etwas Wasser?«
    Balthasar starrte den alten Mann unverwandt an. Er mochte es nicht, wenn man mit ihm spielte. Andererseits hatte er das Gefühl, noch ein Schluck von dem kühlen, klaren Wasser sei wie das Heilmittel gegen all seine Schmerzen. Er betrachtete den halb leeren Becher auf dem weißen Tisch. Doch als er danach griff, tat er es nicht mit seinen eigenen Händen. Es waren mit braunen Flecken übersäte Hände mit dunkelblauen Venen, die sich unter dünner, ausgetrockneter Haut wölbten. Balthasar erschrak – er stieß seinen Stuhl vom Tisch weg und versuchte aufzustehen. Doch dieser Körper war schwach. Alt. Als er auf der Suche nach einer Erklärung den Blick hob, war der alte Mann verschwunden.
    Er blickte wieder auf seine zitternden und verfärbten Hände. Seine Augen konnten kaum so weit sehen. In seiner rechten Hand befand sich etwas. Etwas Goldenes. Langsam hob Balthasar den Arm. Er wusste, was es war, wagte es jedoch nicht zu glauben. Erst als er es auf der Fläche seiner zitternden Hand deutlich erkennen konnte. Erst als er den Gegenstand sah, den er sein halbes Leben lang gesucht hatte.
    Den Anhänger.

Der Patient würde überleben. Er war fast zwei Tage lang bewusstlos gewesen und hatte schwitzend seinen letzten Fieberanfall durchgestanden. Allmählich ging es bergauf. Zacharias hatte ihn gerettet.
    Balthasar hatte Glück gehabt. Er war noch jung und stark, und die Klinge hatte nur eben die äußere Hülle seines Lungenflügels verletzt. Wäre sie auch nur ein bisschen tiefer eingedrungen – selbst ein paar Millimeter –, hätte man nichts anderes tun können, als ihm beim Ertrinken zuzusehen. So allerdings hatte Zacharias es geschafft, die Luft und das Blut, die in der Brust festgesteckt hatten, entweichen zu lassen und die Wunde mit einer Knochennadel und Flachsfaden zuzunähen. Sie verheilte gut, unter anderem dank der Myrrhe, die der Patient bei sich gehabt hatte.
    Balthasar konnte sich ohne Hilfe aufsetzen. Er hatte wieder Farbe bekommen, und Appetit ebenfalls. Zacharias saß im Schein einer Kerze an seinem Bett. Das Haus um sie herum war still. Er sah zu, wie der Patient aus dem Becher in seinen Händen trank, sich den Mund wischte und höflich die Frage verneinte, die er ihm gerade eben gestellt hatte.
    »Bitte«, sagte Zacharias, »erzähle mir, was du gesehen hast.«
    »Ich sagte doch schon … Ich möchte nicht darüber sprechen. Es war nur ein Traum.«
    Balthasar hatte im Schlaf gesprochen. Etwas vom Fliegen gemurmelt. Vom Mond und den rosafarbenen Wänden und den Wurzeln eines Baumes, die aus der Erde gerissen wurden. Zacharias hatte das im Lauf der Jahre schon bei anderen Patienten erlebt, und er fand ihre Visionen immer faszinierend. Die Art, wie ihr Geist verarbeitete, was mit dem Körper geschah. Die Lebhaftigkeit der Visionen.
    »Selbst wenn es seltsam und absurd gewesen ist. Erzähle mir, was du gesehen hast.«
    Balthasar sah den bärtigen alten Mann an, der demjenigen in seinem Traum gar nicht so unähnlich sah. Er hatte ihm das Leben gerettet. Wahrscheinlich schuldete er ihm wenigstens so viel. Schließlich waren sie unter sich. Die anderen schliefen.
    Also erzählte er ihm von seinem Flug über die Wüste. Von dem Berg und den Menschen, die um das große goldene Etwas tanzten. Er erzählte ihm davon, wie sein Körper in Stücke riss und seitlich an der Pyramide hinabfiel. Von den Statuen am Ufer des Nils. Er erzählte ihm von den Fischen, die mit dem Bauch nach oben in einem Fluss aus Blut schwammen, vom Mond, der in Stücke brach und vom Himmel fiel. Von dem Zimmer mit rosa- und purpurfarbenen Wänden und dem Mann mit dem hölzernen Stock, der ihm etwas zu trinken anbot und ihm befahl, nach Ägypten zu gehen.
    Allerdings nicht von dem Mann mit Flügeln . Den behielt er für sich.
    Als er mit seiner Geschichte fertig war, saß Zacharias lange schweigend da. Nachdenklich. Balthasar meinte zu sehen, wie dem

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