Die myrrhischen drei Könige: Roman (German Edition)
zum Rückzug zu blasen. Als ich mich eines Abends mit meinen Offizieren beriet, brachten die Wachen einen Besucher. Ein kleiner, gebrechlicher Mann in schwarzem Gewand, mit einem grauen Bart, eingesunkenen Augen und einer Glatze. Er schien etwa fünfzig zu sein, auch wenn er an dem hölzernen Stock eines viel älteren Mannes ging. Am oberen Ende des Stockes saß eine eingerollte Schlange aus Kupfer. Offensichtlich war er eine Art Priester, auch wenn ich noch nie einen Priester gesehen hatte, der so aussah. Seine Haut war mit seltsamen schwarzen Tintenzeichnungen bedeckt, und an seinen Armen befanden sich die Narben vieler Verbrennungen, sowohl alte wie auch frische.
»Ich habe vorhergesehen, dass der Name ›Caesar‹ durch die Jahrhunderte hallen wird«, sagte er. »Dass er verehrt werden wird wie die Götter. Ich bin gekommen, ihm meine Fähigkeiten zu unterbreiten. Meine Treue und meinen Schutz. Im Gegenzug erbitte ich mir lediglich einen bescheidenen Anteil an seiner Ausbeute.«
»Und wieso benötige ich den Schutz eines Priesters?«, fragte ich. »Ich befehlige vier Legionen.«
»Nun«, sagte er, »trotz all deiner Legionen befindest du dich kurz vor der Niederlage. Ihr lasst euch von Bauern verjagen, die nur mit Steinen und Stöcken bewaffnet sind.«
Meine Offiziere erhoben sich und zückten die Schwerter. Es war undenkbar, so mit einem General zu sprechen. Darauf stand die Todesstrafe.
»Bist du verrückt?«, fragte ich.
Ein seltsames Lächeln breitete sich auf dem Antlitz des Priesters aus, als hätte er es auf eine solche Reaktion angelegt. Als hätte er gewollt, dass eine derartige Frage gestellt wurde.
»Ich bin Magier«, sagte er.
Die Magier, zoroastrische Priester, gehörten einem uralten Kult an. Sie waren Meister einer Zauberkunst, die von der Erde so gut wie verschwunden war. Sie waren im Zeitalter der Heiligen Schrift an die Macht gekommen, als noch Engel und mystische Ungeheuer an der Seite des Menschen wandelten, als die Schlachten zwischen Himmel und Hölle auf den Ebenen Galiläas und in den Hügeln von Hebron tobten. Die Welt war damals anders. Die Zeit hatte kaum begonnen, und die Götter mischten sich immer noch frei unter die Menschen, ob es sich nun um die vielen Götter des Olymps oder den einsamen Gott Abrahams handelte. Und während die meisten Menschen ihre Götter fürchteten und verehrten, wollten ein paar ihnen ebenbürtig sein.
Auf dem Höhepunkt ihres Einflusses hatte es Tausende von ihnen gegeben, die in Klöstern versteckt die höheren Mächte studierten, die Normalsterblichen Angst einflößten. Die dunklen Mächte. Sie lernten sie zu beherrschen, zu meistern und für ihre Zwecke auszunutzen. Es hieß, ein Magier könne aus dem Nichts Feuer herbeirufen. Statuen in lebendige Menschen verwandeln, und lebendige Menschen zu Stein. Angeblich konnten sie Dinge sehen, die sich noch nicht ereignet hatten, und die Gedanken von Menschen beeinflussen, die sich eine halbe Welt entfernt befanden. Jahrtausendelang wurden sie wie lebende Götter behandelt – verehrt, gefürchtet und kaum je außerhalb ihrer Klostermauern gesehen.
Doch im Laufe der Jahrhunderte war das Zeitalter der Wunder in das Zeitalter des Menschen übergegangen, und ihre Zahl war geschrumpft, bis – über zehntausend Jahre, nachdem sich der erste Mensch als »Magier« bezeichnet hatte – nur noch einer übrig blieb und durch eine Welt wanderte, die nicht von den Göttern, sondern von den Römern beherrscht wurde. Der Letzte seiner Art, der Besitzer einer in Vergessenheit geratenen Gabe, die zu nichts mehr nutze war.
Doch Julius Caesar fand einen Verwendungszweck dafür.
Mit dem letzten Magier an seiner Seite rettete er seinen Feldzug in Gallien. Und als er damit fertig war, wendete er sich gegen seine Verbündeten und riss Roms ganze Herrlichkeit an sich.
Als Kaiser verließ Julius sich schon bald auf die Fähigkeit des dunklen Priesters, in die Zukunft zu sehen. Auf seine Fähigkeit, durch eine Art tiefe Meditation die Geheimnisse seiner Feinde zu enthüllen und die Natur für Roms Zwecke einzuspannen, indem er Wind und Blitze herbeirief, um feindliche Heere zu vertreiben, und Tieren befahl, ihre Herren zu verraten. Er mischte sich sogar in die Gedanken von Senatoren und beeinflusste, wie sie sich bei Abstimmungen entschieden. Mit dem Magier an seiner Seite stieg Julius vom General zum Gott auf. Doch im Laufe der Zeit fing er an, seine geheime Waffe zu fürchten. In einem anderen Brief an Pompeius schrieb
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