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Die Nachhut

Die Nachhut

Titel: Die Nachhut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Waal
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in deinem Alter, die sich in Netzwerken gegen die rechte Übermacht auf dem Land engagierten, die wussten, um was es ging. Ihr in Berlin hattet vermutlich gar keine Ahnung, was es hieß, jeden Tag Spießruten zu laufen, in der Schule, nach der Disko - immer Freiwild, nur weil man anders aussah oder anders dachte.
    »Soll ich Ihnen sagen, was ich denke?«
    Mit diesem plötzlichen Vorstoß hast du mich dann doch überrascht und nicht mal mein zögerliches Nicken abgewartet.
    »Ich denke erstens, dass die vier Typen völlig harmlos sind, solange man sie nicht in die Enge treibt. Zweitens sind sie eine absolute Sensation, wenn ich den Professor gestern Abend richtig verstanden habe. Wie war noch mal sein Name?«
    »Zeitz. Professor Zeitz war das.«
    »Genau. Und drittens - auch wenn Sie gleich explodieren - ist das endlich mal was anderes als die tausendste Doku über Hitlers Frauen, seine Hunde oder Promis auf Mallorca. Aber ich kann mir ungefähr vorstellen, was vier SS-Opas bei Leuten wie Ihnen oder Gerd für Reflexe auslösen.«
    Das, mein Lieber, konntest du sicher nicht. Dafür konnte ich in diesem Moment nicht mal Schiller wegdrücken, dessen Anruf mein Handy Greensleeves summen ließ - zu fasziniert war ich von deiner kleinen Rede. »Mal was anderes als Hitler!« Ich kannte diesen Blick, eine Mischung aus Provokation und gedankenloser Ehrlichkeit. Nur einmal hatte, mich auch ein halbwegs erwachsener Mensch so angeschaut. Es war ein Journalist aus England, den ich bei einer Reportage über Skinheads unterstützt hatte, bis ich mitbekam, dass er mit Geld nachhalf, um einen deutschen Gruß vor der Kamera zu bekommen. »So what«, hatte der sich gewundert, als ich ihn wütend zur Rede stellte, das gehöre doch dazu -»Nazi sells!«
    Wieder mischte sich Greensleeves unter die zehn Tenöre.
    »Dein Handy«, sagte Gerd und schob es mir vor die Nase.
    Wieso fiel er dir eigentlich nicht ins Wort?
    »Findest du das auch, Gerd? Siehst du das auch so? Verratet ihr uns deshalb nicht, wo sie stecken? Wegen der Story?«
    »Wir wissen es nicht. Ehrlich. Jetzt geh endlich ans Telefon, das ist ja nicht zum Aushalten!«
    Schiller nahm es klaglos hin, dass er mich erst im dritten Anlauf erreichte. Zu gut waren seine Nachrichten: Wir hatten sie. Er war bereits auf dem Weg und wollte nur wissen, wo er mich einsammeln sollte. Nachdem ich es ihm gesagt hatte, fiel mir sofort ein, dass er mich besser nicht mit zwei quotengeilen NS-Verharmlosern an einem Tisch erwischen sollte. Die Nudeln waren ohnehin kalt.
    »Tut mir wenigstens einen Gefallen und lasst mich allein aus der Tür gehen, ja? Und bitte bezahlt mein Zeug mit!«
    »Das sind aber schon zwei - ich meine: Gefallen.«
    Gerd Busch grinste gespannt und erwartete offenbar eine Gegenleistung. Ich hätte es wissen müssen: Lass dich nie mit der Presse ein! Aber letztlich würdet ihr es so oder so erfahren.
    »Na gut, also wir haben sie. Ich sag euch sogar wo. Aber dafür lasst ihr mir dreißig Minuten Vorsprung - versprochen?«    
    »Klar«, sagte Gerd, »wenn wir überhaupt ein Taxi finden.«
    Ich traute euch trotzdem nicht mehr. Wer Nazis interviewt und nichts dabei findet, hat auch sonst kein Gewissen.
    »Sobald mein Wagen vor der Tür steht, sage ich euch den Ort. Erst dann bestellt ihr die Rechnung. Einverstanden?«
    »Versprochen«, sagte Gerd, »ist mein Auto dabei?«
    Es hatte uns überhaupt erst den Weg gezeigt. Ohne die Fahndung nach seinem weißen Van ... Aber das musste Gerd Busch nicht auch noch wissen.
    Nicht , dass es mich etwas anginge, Evelyn - aber was habt ihr eigentlich gegeneinander, du und Busch? War da mal mehr?
    Den bizarren Streit über alte und neue Nazis konnte man euch ja gerade noch als 68er-Folklore durchgehen lassen. Doch so gehässig, wie Gerd danach über dich herzog, hatte selbst ich ihn noch nie erlebt: Dass du schon immer so eine Meise gehabt hättest, keinen Mann mehr abbekämst und angeblich glauben würdest, das liege alles nur daran, weil du aus dem Osten stammst, eine Frau bist - so ging das in einem fort.
    Ich versuchte, Jenny ans Telefon zu kriegen, hielt vor der Pizzeria nach einem Taxi Ausschau. Aber Busch hörte nicht auf:
    »Am liebsten wäre sie wahrscheinlich selbst Jüdin. Opferneid nennt man das«, giftete er. Sogar vor der Wende hättest du schon gegen Neonazis gekämpft, das sollte ich mir mal vorstellen: »In der DDR! Wo doch bei euch praktisch nur Antifaschisten den Krieg überlebt haben!«
    Während er über irgendeine Affäre

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