Die Nachhut
Eindruck bei dir hinterlassen? Wenn ja, wirst du mir vermutlich auch Absicht unterstellen, dass ich als nächstes an die verdunkelte Scheibe eines Golfs klopfte, dessen Odin-Aufkleber am Heck ziemlich genau signalisierte, was einen erwartete. Aber ich schwöre: Etwas Verzweiflung war nach einer Stunde Warten auch dabei!
Ein bulliger Skinhead im karierten Hemd kurbelte die Scheibe runter und dachte gar nicht daran, sein Radio leiser zu drehen. Jemand grölte etwas von Odin und Rache und - noch mal, Evelyn - ich stimme dir auch in diesem Punkt vorbehaltlos zu: Solche Musik gehört wirklich verboten, nicht zuletzt wegen der einfallslosen Gitarren. Der Schein aber wirkte sofort.
»Für 20 Euro nach Seesen? Na logo. Steigt ein, Kameraden!«
Busch zögerte keinen Moment. Nur das Zucken seines Bartes verriet, dass er genau wusste, neben wem er da Platz nahm. Wahrscheinlich dachte er an seinen Van, drehte einfach das Radio aus, und obwohl der hilfsbereite Nachwuchs-Faschist böse guckte, entschied er sich dann doch lieber für Smalltalk.
»Seesen? Doch nicht etwa wegen Jan und seinem Opa?«
»Maul halten und fahren!« Immerhin schien Gerd zu wissen, wie man mit ihnen reden musste: »Nur dafür wirst du bezahlt.«
»Alles klar, Chef.«
Danach traute sich der Typ nicht mal mehr, auch nur einen Kilometer schneller zu fahren als erlaubt, und sah erst wieder von seinem Lenkrad auf, als er zehn Minuten später auf der Zufahrt zu einem Bauernhof hielt. Ein paar Meter vor uns versperrte ein weißer Van den halben Sandweg, als hätte ihn Gerd selbst dort geparkt. Und schlagartig besserte sich auch seine Laune. Gerd ließ sich von mir den Zwanziger geben und steckte ihn wieder ein. Dem Skin fielen fast die Augen heraus.
»Tja, mein Junge«, sagte Gerd und stieg schwerfällig aus, »ohne Quittung kein Geld. Du kannst dich ja beschweren. Schau da vorn: Alles voller Polizei!«
Unser Fahrer nahm seinen ganzen Hass für einen einzigen Blick zusammen, ließ die Reifen durchdrehen und uns in einer Staubwolke zurück. Als sich der Dreck wieder gelegt hatte, tauchten vor dem Gehöft zwei Männer und eine Frau in weißen Overalls auf. Sie hatten große Koffer dabei und begannen damit, unseren Van zu untersuchen, während sich auf dem Hof sämtliche Polizisten Brandenburgs auszutoben schienen.
Sie rannten zwischen Scheune und Wohnhaus hin und her und über die Wiesen ringsum. Ein Hund zerrte wütend an einer Kette und knurrte seine Artgenossen an, die brav mit ihren Hundeführern in jeder Ecke herumschnüffelten. Die Autos aus Karlsruhe waren auch wieder dabei. Schiller stand in der Mitte und dirigierte das Durcheinander. Etwas abseits entdeckte ich Ottos alten Sessel mit den Motorradfelgen. Ein Pärchen, allem Anschein nach Bewohner, stand zwischen dir und diesen Bundesanwaltstypen. Die Frau redete laut auf euch ein. Wir schlenderten näher und mussten nicht mal heimlich lauschen.
»Sag ich doch«, schimpfte die Frau, »heute Morgen stand das Auto plötzlich vor der Tür. Dafür war das Motorrad weg, stimmt doch, Peter, oder? Jetzt sag doch auch mal was!«
Mit spitzem Ellenbogen stieß sie ihrem Mann in die Seite, der nur störrisch nickte, als hätten sie gerade Streit gehabt.
»Warum haben sie den Diebstahl nicht angezeigt?«, fragte einer von den Bundesanwälten.
»Na ja«, druckste die Frau herum, »ehrlich gesagt dachten wir, es sei ja kein schlechter Tausch.«
»Ich war gleich dagegen«, sagte der Mann, »ich meine ...«
Doch seine Frau hatte ihn mit ihrem Ellenbogen schnell wieder unter Kontrolle. Dir aber konnte sie nichts vormachen.
»Sie wollten etwas sagen?«
Peter wusste es auf einmal nicht mehr. Verunsichert sah er seine Frau an, dann dich und wieder seine Frau. Irgendwas lief schief zwischen den beiden, so wie zwischen dir und den Ermittlern aus Karlsruhe auch. Vermutlich ging es sogar um das Gleiche - nämlich darum, wer auf diesem Hof das Sagen hatte.
»Wer wohnt noch hier?«, fragte der Bundesanwalt beherzt dazwischen, und Peters Frau übernahm wieder das Antworten:
»Meine Tochter und ihr Mann, die arbeiten beide im Westen, außerdem Jan, unser Enkel, und meine alten Eltern.«
»Wo sind die?«
»Wahrscheinlich in ihrem Zimmer. Aber bitte, Sie müssen sehr behutsam sein. Mein Vater hat gerade seinen zweiten Herzinfarkt hinter sich und ist noch ziemlich schwach.«
Fast im gleichen Moment fiel ihr der alte Bauer in den Rücken, indem er aus dem Wohnhaus trat. Er führte eine ebenso alte Frau am Arm, trug
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