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Die Nachhut

Die Nachhut

Titel: Die Nachhut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Waal
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einen blauen Zweiteiler und Gummistiefel und obwohl er ein Bein nachzog, war völlig klar, dass er die Frau stützte - und nicht umgekehrt. Seine Tochter wurde blass, dann rot und als sie mit ihrem starren Blick endlich alle anderen Augen auf das Pärchen aufmerksam gemacht hatte, grüßten die alten Herrschaften freundlich zurück. Auch Busch hatte Konrad sofort erkannt, hob die Kamera auf die Schulter und rechnete offenbar jeden Moment mit klickenden Handschellen. Ich schloss die Augen und biss mir auf die Lippen: Klar konnte er sich das nicht entgehen lassen, aber hätte er nicht auch einmal kein Chronist sein können oder wenigstens feinfühlig genug, um auf dieses eine Bild zu verzichten?
    Schiller kam natürlich sofort angerannt und stürzte sich auf ihn. Gerd tobte und schrie. Aber ehrlich gesagt glaube ich ihm bis heute nicht, dass sein Theater nur Absicht war, um von Konrad abzulenken, wie er hinterher behauptete. Auch wenn es zufällig genau so funktionierte.
    Während Busch von Schiller und zwei weiteren Beamten vor das Tor geleitet wurde, ließen sich die beiden alten Leute auf einer Bank neben dem Wohnhaus nieder und freuten sich an dem bunten Treiben auf ihrem Hof. Fast sah es aus, als hielten sie nur deshalb so glücklich miteinander Händchen, weil endlich mal was los war zwischen Heu und Hühnern. Schiller lief auf dem Rückweg gleich noch einmal an ihnen vorbei, immer noch wütend, nur diesmal in meine Richtung.
    Wie konnte er Konrad übersehen? Gut, ihr hattet ihn bisher nur von weitem und mit dieser schrägen Schweißerbrille gesehen. Aber bei meinem Interview war er auch mindestens zwei Sätze lang ohne im Bild gewesen. Mir gefiel er als Bauer natürlich auch besser als in SS-Uniform, aber war er deshalb gleich ein anderer Mensch - nicht wiederzuerkennen?
    Schiller musste nichts sagen oder gar tätlich werden: Ich hob abwehrend die Hände und folgte Busch freiwillig vors Tor. An seinem Auto war das Team von der Spurensicherung gerade mit der Karosserie fertig und begann den Innenraum abzupinseln. Busch zeigte sich von seiner hilfsbereiten Seite, öffnete alle Türen und kam ihnen sogar beim Handschuhfach zuvor.
    »Vorsicht«, sagte die Frau im weißen Overall, »Sie verwischen ja alles!« Aber übermäßig engagiert klang das nicht.
    »Also wenn Sie mich fragen«, sagte Busch leutselig und roch misstrauisch an einer seiner Colaflaschen, »hier fehlt nichts - als hätten sie nichts angerührt.« Dann senkte er vertraulich die Stimme: »Sind die euch etwa schon wieder entwischt?«
    Die Frau sah sich nach Schiller um und nickte verkniffen. Ich hielt ihr die Heckklappe auf, was auch die hydraulische Sperre erledigt hätte. Aber auch diese Geste kam gut an.
    »Vielleicht schauen Sie ja selbst gleich mal mit«, sagte sie. »Es geht aber weniger darum, ob was fehlt, sondern darum, ob etwas liegen geblieben ist, was Ihnen nicht gehört.«
    Die grüne Munitionskiste aus Holz sprang einem zwischen unseren ganzen Alukoffern ins Auge wie ein Weihnachtsmann am FKK-Strand. Als auch noch Busch und der andere Spurensucher dazukamen, entschuldigte ich mich schon mal in Gedanken bei Fritz: Ich konnte der Polizei ja schlecht erklären, dass seine Kiste ausschließlich dem SS-Oberkommando Vorbehalten war.
    »Lasst mich mal sehen«, sagte Busch und drängelte mich grob zur Seite. Er öffnete einen Alukoffer mit Kabeln, schaute kurz hinein und schloss ihn wieder. Dann ließ er mit der gleichen Selbstverständlichkeit die Riegel der Holzkiste aufspringen, nahm zwei von Fritz' Tagebüchern in die Hand, warf sie wieder hinein und ließ den Deckel fallen.
    »Notizbücher, Kabel - alles da. Aber - was ist das denn?«
    Mit spitzen Fingern angelte er einen grünen, speckigen Rucksack zwischen Sitzbank und Kofferraum hervor und betrachtete ihn angewidert von allen Seiten. Die Polizisten streckten schon ihre Latexhandschuhe danach aus, als ich die blassen Buchstaben erkannte, die ich darauf vor Jahren mit Kuli gekritzelt hatte: Ice Cube stand da, mein altes Idol.
    »Sehr witzig«, sagte ich und riss Gerd den Rucksack aus der Hand, der danach lachend die Heckklappe zuzog, als wäre es an ihm, die Untersuchung seines Autos für beendet zu erklären.
    Die beiden Polizisten sahen sich ratlos an, bedankten sich aber für unsere Kooperation und packten ihre Utensilien ein. Am Hoftor mussten sie zur Seite springen, weil eine schwere Limousine herausgeschossen kam. Auf unserer Höhe öffnete sich das Beifahrerfenster. Ich erkannte

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