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Die Nachhut

Die Nachhut

Titel: Die Nachhut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Waal
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dachte Gabi fast wie eine Geschäftsfrau.
    »Gern. Haben die vom BKA auch gesagt, wo sie jetzt sind?«
    »Vom BKA? Nee. Aber vielleicht könnse sich den Kaffee selbst nehmen, wenn er durch ist? Ick muss erstmal meinen Mann in die Spur schicken, die Kanone putzen ...«
    Sie warf mir noch den Zimmerschlüssel auf die Theke und verschwand. Ich kippte etwas Cola in die Spüle, füllte die Flaschen mit Wodka auf und wollte Gerd behutsam wecken. Doch der hing schon am Telefon. Offenbar horchte er jemanden über dich aus. Auch der Name von diesem Jäger fiel mehrmals und weil das Gespräch noch eine Weile zu dauern schien, zog ich mich mit der Ledertasche von Fritz in das neue Zimmer zurück, nahm diesmal ein anderes Heft zur Hand und bildete mir ein, es roch noch nach dir, das Bett natürlich.
    16. April 1945 Seit einer Woche dringen weder neue Lagemeldungen noch Befehle zu uns durch. Nachdem die letzten Arbeiter mit ihren Wächtern Hals über Kopf abgehauen sind, mussten wir vorgestern die Eingänge eigenhändig tarnen, haben alle Luken geschlossen und sind nun dabei, den letzten Befehl (Nummer 344/45) auszuführen: Er lautet, DB 10 so schlicht wie möglich auszustatten, denn - halt dich fest - der Führer wünsche keinen Luxus, während seine Soldaten im Graben liegen.
    Meine Güte, Liesbeth, der Führer!
    Mit heißen Herzen reißen wir die Holzvertäfelung wieder heraus, zuerst im Lagerraum, dann auch in den Gästezimmern. Bei einem zögert Sturmbannführer Hohmann allerdings plötzlich, weil das angeblich sämtliche Installationen darunter zerstören würde. Ich habe jedoch eher das Gefühl, es liegt daran, daß er diesen Raum vorläufig selbst bewohnt und sich auf länger einrichtet. Seine Rückfragen dazu blieben bisher ohne Antwort.
    Also bleibt der vorletzte Befehl (343/45) unser Kampfauftrag: Das Objekt sichern und ständig in Bereitschaft halten für höchste Schutzgäste aus Reichsführung und Wehrmacht, ansonsten wie gehabt: Alarmstufe Rot; Feind auf Reichsgebiet; Stellungen bedingungslos halten; neue Befehle abwarten.
    Abwarten - soll das die Stunde der Bewährung sein? Unsere Feuerprobe, der wir seit Wochen entgegenfiebern, eine Geduldsprobe? Ganz sicher wird uns der Feind auf dem Posten finden, wachsam, fanatisch und entschlossen - die Frage ist nur, ob er uns hier unten überhaupt finden wird.
    Anders als in den Wochen vorher wird nun um jeden Dienst gerangelt. Besonders die Schleusenwache ist beliebt, weil es da alle vier Stunden, zur Funktionsprüfung, einen Schwall frische Luft gibt, ungefiltert. Wer dienstfrei hat, ist arm dran. Manche melden sich freiwillig in der Küche, aber der Koch hat auch nicht genug zu tun, und das Essen - nun ja, ich will nicht klagen. Es ist nur bitter, immer wieder die unglaublichen Vorräte zu kontrollieren, darunter konservierte Leckereien aus aller Herren Länder. Und wir fressen fast jeden Tag diese dünne Zementsuppe aus Grieß.
    Wenigstens macht man keine großen Unterschiede mehr zwischen Offizieren und einfachen Schützen. Es gibt weder Mannschaftskantine noch Kasino; alle essen zusammen - und dasselbe. Sogar bei der Schnapsausgabe wird redlich geteilt.
    Mit dem letzten Kurier kam außerdem eine Schallplatte, auf der Minister Goebbels dem Führer zum Geburtstag gratuliert. Sie haben es offenbar vorab aufgenommen, und die Kameraden diskutieren nun, ob das mehr zu bedeuten hat als die Vorsehung, die in jedem zweiten Satz waltet. Wahrscheinlich wird es aber auch dafür eine ganz praktische Erklärung geben, zum Beispiel, daß die Rede auch ohne Radio überall pünktlich zu hören sein muß. So wie sich sicher auch die Totenstille über Funk bald aufklären wird: Von wegen Iwan habe die Umsetzer zerstört - oder was sonst noch geunkt wird - sogar unsere Erdantennen gefunden. Ein Erkundungstrupp von drei Mann, der gestern nachsehen sollte - das muß ich allerdings zugeben - kehrte nicht zurück. Was immer das bedeutet: Ich bleibe tapfer Dein Fritz.
    HANKA hätte ruhig mal anrufen können. Schiller wusste nichts davon. Und du, Benny, hättest es von mir aus auch nie erfahren. Selbst Wolf Jäger, der sonst immer daran dachte und sich beinahe stündlich nach dem Stand der Dinge erkundigte, hatte mir noch nicht gratuliert. Aber im Grunde fand ich sogar das ziemlich aufmerksam von ihm, immerhin war es mein 45.
    Wonach ich mich sehnte, waren lediglich ein paar Sätze von Menschen, die keine Polizisten waren, ein paar Worte ohne Abkürzungen und Funker-Deutsch, ohne Befehl und

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