Die Nacht am See
neugierig fest.
Donovan entschied sich, diese Anmerkung zu ignorieren, und schwieg.
„Du erfindest das doch nicht nur, damit du dir ein nettes langes Wochenende mit ihr machen kannst, während ich mich um deine Patienten kümmere?”
Donovan verdrehte die Augen. „Nein, Mark.”
„Na ja, man fragt sich das schon, denn sie sieht schließlich fantastisch aus, und ich habe gesehen, wie ihr beide euch im Krankenhaus angeschaut habt. Da sprühten ja geradezu Funken. Schläft sie noch immer im Gästezimmer?”
Die Richtung, die die Unterhaltung nahm, störte Donovan plötzlich. Er versuchte darüber zu lachen. „Mark, du solltest versuchen, ein eigenes Leben zu führen. Ich muss los.”
„Hey, warte. Warum willst du mir nichts erzählen?”
Donovan dachte darüber nach. Warum wollte er nichts sagen? Sonst hatte er nie solche Skrupel gehabt. Weil es ihm diesmal so ernst war wie nie zuvor? Weil er es nicht vermasseln wollte? Oder weil er selbst noch immer im Dunkeln tappte, wie sich die Sache weiterentwickeln würde? „Es ist anders, das ist alles”, erwiderte er ausweichend. „Sie ist meine Leibwächterin, und nur zu deiner Information, sie schläft noch immer im Gästezimmer.”
Mark pfiff. „Ehrlich? Sie muss ganz schön hart sein. Ich habe noch keine Frau kennen gelernt, die dir widerstehen konnte.”
„Sie ist wirklich einzigartig, das stimmt. Ich habe noch nie eine Frau wie sie getroffen.”
Mark senkte die Stimme. „Ich hatte Recht. Es ist etwas zwischen euch. Erzähl mir nur eins, hast du vor, sie in absehbarer Zeit aus dem Gästezimmer herauszulocken?”
Donovan starrte auf das Telefon und schüttelte den Kopf angesichts der Hartnäckigkeit seines Freundes. Ich tue mein Bestes, dachte er. Laut sagte er: „Jetzt hast du genug neugierige Fragen gestellt, Mark. Die Zeiten, in denen ich alles erzählt habe, sind vorbei. Danke, dass du dich um meine Patienten kümmerst. Ich melde mich, sobald ich zurück bin.”
Donovan legte den Hörer auf, erpicht darauf, sich mit Jocelyn auf den Weg zu machen, wohin auch immer. Er freute sich darauf, mit ihr allein zu sein. Irgendwo, wo es sicher war, wo sie sich ein wenig entspannen und endlich einmal die Vorsicht beiseite lassen konnten.
Und er meinte das nicht in beruflicher Hinsicht.
Nach einer langen, sorgfältig geplanten Fahrt aus Chicago heraus in einem unter Tess’ Namen gemieteten Wagen bog Jocelyn in eine kurvenreiche Straße ab, die zu dem Ferienhaus führte.
Niemand würde sie dort finden, und erleichternd kam hinzu, dass es Jocelyn vertraut war, da sie schon zwei Mal da gewesen war. Es war das perfekte Versteck.
Ein paar Meilen lang fuhren sie durch den schattigen Wald, wirbelten auf der unasphaltierten Straße Staub auf, während einzelne Sonnenstrahlen sich durch die Bäume verirrten.
Donovan sah aus dem Fenster. „Das ist ja wirklich abgeschieden. Bist du sicher, dass wir hier sicher sind?”
Vor dem Angreifer ja. Vor der wachsenden Anziehungskraft von Donovan? Sehr unwahrscheinlich, vor allem, da dies wohl der romantischste Ort der Welt war.
„Ganz bestimmt.” Sie versuchte überzeugend zu klingen und ihre persönlichen Gefühle zu ignorieren. „Niemand weiß, wo wir sind, und ich habe die nötigen Vorkehrungen getroffen, als wir die Stadt verlassen haben.”
Schließlich hielten sie vor einem großen, rustikalen Holzhaus, dessen riesige Fensterfront auf den malerisch gelegenen See hinausging. Vor dem Haus war eine große Terrasse angelegt, auf der ein runder Tisch mit einem Sonnenschirm und ein Grill standen. Bis zum schmalen Sandstrand des Sees, wo ein kleines Boot an einem Privatsteg festgemacht war, war der Boden mit saftigem Gras bewachsen.
„Das ist ja herrlich hier”, meinte Donovan. „Du hast wirklich ein gutes Händchen bewiesen.”
„Na ja, ich dachte, wenn wir schon gezwungen sind, die Stadt zu verlassen, sollten wir es wenigstens gemütlich haben und die Zeit genießen können.” Die Zeit genießen. Das hätte sie nicht sagen sollen. Es rief alle möglichen unanständigen Bilder in ihrem Kopf hervor.
Jocelyn stellte den Motor aus. Die Stille war erstaunlich. Sie hörten lediglich das Zwitschern eines Vogels und das Geräusch des Windes, der durch die Kiefern und Ulmen strich.
Donovan starrte auf das Haus. „Warst du schon mal hier?”
„Zwei Mal. Warte, bis du das Innere siehst.”
Sie öffneten die Wagentüren und atmeten die frische Waldluft ein, bevor sie auf einen weichen Teppich aus Tannennadeln
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