Die Nacht am See
traten. Nachdem sie ihre Sachen aus dem Kofferraum geholt hatten, gingen sie zur Haustür, wo der Schlüssel und ein Willkommensgruß der Besitzer für sie im hölzernen Briefkasten lagen. Jocelyn öffnete die Tür und ließ Donovan eintreten.
Nichts hatte sich seit dem letzten Mal, als sie hier gewesen war, verändert. Alles war aus rustikaler Kiefer - der Küchentisch und die Stühle, die Geschirrschränke, der Dielenboden sowie die Wände und Decken.
„Wow”, meinte Donovan und starrte erstaunt zu der hohen Decke im Wohnzimmer sowie dem riesigen Kamin aus grauen Feldsteinen. „Sieht so aus, als kämen wir beide endlich zu unseren wohlverdienten Ferien. Wie lange werden wir bleiben?”
„Das hängt davon ab, wie schnell die Polizei Cohen schnappt. Vielleicht vierundzwanzig Stunden, vielleicht aber auch einen Monat.”
„Lass uns hoffen, dass es ein Monat ist. Obwohl ich bezweifle, dass man im Krankenhaus sehr glücklich darüber wäre.”
Jocelyn verschloss die Haustür hinter ihnen. „Komm, ich zeige dir die Schlafzimmer.”
„Eine Frau nach meinem Geschmack”, murmelte er.
Gegen die Erregung ankämpfend, die sie auf einmal packte, stupste Jocelyn ihn in die Brust. Sie konnte es sich nicht leisten, schon von einem solch kleinen zweideutigen Witz aus dem Gleichgewicht gebracht zu werden. „Benimm dich, Herr Doktor. Unsere Zimmer liegen weit auseinander.”
Hastig nahm sie ihre Tasche und trug sie durch die dem Wohnzimmer angegliederte offene Küche zum Schlafzimmer. Ein großes Kiefernbett stand an einer Wand; weiße Rattanmöbel bildeten eine Sitzecke neben einer Glastür, die auf die Veranda führte.
„Ich nehme dieses Zimmer”, sagte sie und führte Donovan dann zum anderen Ende, wo sie ein paar Stufen hinauf zum Dachboden stiegen.
Das Hauptschlafzimmer hatte einen eigenen Balkon und ein Bad sowie ein Fenster direkt über dem Bett.
Donovan stellte seine Tasche ab. „Hier kann man ja wunderbar in die Sterne schauen.”
„Stimmt. Gefällt es dir?”
Er ging zum Bett und drückte mit der Hand auf die Matratze. „Lass mal sehen … schön fest. Perfekt. Möchtest du es ausprobieren?”
Sie lachte. „Ich vertraue deinem Urteil und bleibe lieber auf dieser Seite des Zimmers, vielen Dank. Außerdem habe ich es schon beim letzten Mal ausprobiert.”
Er kniff spielerisch die Augen zusammen. „Allein, hoffe ich.”
Jocelyn verschränkte die Arme vor der Brust. „Das geht dich nichts an.“ Er hob ergeben die Hände. „Du hast Recht, entschuldige. Ich möchte dich einfach besser kennen lernen und bin neugierig auf einige Dinge.”
„Und auf was genau?” wollte sie interessiert wissen.
„Auf dein Leben, bevor wir uns getroffen haben. Hast du schon andere Klienten hierher gebracht? Oder warst du rein zum Vergnügen hier?”
Jocelyn seufzte und wünschte, sie hätte nicht ebenso das Bedürfnis, ihm näher zu kommen.
Aber seit der Nacht in seinem Schlafzimmer, als er ihr von seiner Vergangenheit erzählt und auch sie einiges von sich preisgegeben hatte, fühlte sie sich noch mehr mit ihm verbunden.
Sie hatte das Gefühl gehabt, mit einem Freund zu sprechen, den sie schon seit Jahren kannte.
„Ich würde es nicht gerade Vergnügen nennen”, meinte sie, „aber es war auch nicht Geschäftlich.”
Er kam auf sie zugeschlendert. „Nun hast du mich ja richtig neugierig gemacht. Du kannst mich jetzt nicht hängen lassen.”
Ihr Puls beschleunigte sich, als er so nahe vor ihr stehen blieb, dass sie sein After Shave wahrnehmen konnte. Oh, der Aufenthalt hier würde nicht einfach werden.
„Na gut, ich erzähle es dir. Das erste Mal kam ich mit meiner Mutter her, als ich vierzehn war, direkt nachdem mein Vater uns verlassen hatte. Sie wollte weg, damit sie nicht ans Telefon gehen und allen erklären musste, was geschehen war. Zwei Wochen lang waren wir hier. Dann kam ich noch einmal Jahre später her, als meine Beziehung zu Tom in die Brüche gegangen war.”
Donovan starrte sie eine ganze Weile an. „Dann verbindest du also nicht gerade angenehme Erinnerungen mit diesem Ort?”
Sie schüttelte den Kopf.
„Warum hast du ihn ausgewählt?”
„Weil es der sicherste Ort ist, den ich kenne, und weil ich mich schon vorher mit allen Aspekten vertraut gemacht hatte. Ich kenne das Grundstück und das Innere des Hauses wie meine Westentasche.”
„Immer der Profi.”
„Ich bemühe mich.”
Er schaute sie nachdenklich noch ein paar Sekunden lang an, ließ dann aber zum Glück das
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