Die Nacht am See
folgte ihr. „Das stimmt nicht. Wir kennen uns besser als andere Menschen, die sich schon ein Leben lang kennen. Wir gehören zusammen.”
Sie erzitterte und sah aus, als würde sie anfangen zu weinen. „Bitte, tu mir das nicht an, Donovan. Du ziehst mich da in etwas hinein …”
„Das ist meine Absicht.”
„Aber ich möchte nicht hineingezogen werden! Ich möchte auf der sicheren Seite sein und die Kontrolle behalten, zumindest, bis ich mir über alles etwas klarer geworden bin.”
„In der Liebe gibt es keine Sicherheit, Jocelyn. Es gibt niemals eine Garantie.”
„Das macht mir ja solche Angst.”
„Aber überleg doch einmal, wie wunderbar es sein wird, wenn es funktioniert.”
„Wenn es funktioniert? Ich kann doch nicht all meine Hoffnungen und mein zukünftiges Glück an das Wörtchen ‚wenn’ klammern.” Sie griff nach ihren Sachen und zog das T-Shirt über. „Es tut mir Leid, Donovan. Ich muss mal für einen Moment allein sein. Ich gehe in mein Zimmer.”
Und schon war sie verschwunden.
Was ist gerade geschehen? überlegte Jocelyn, als sie die Tür zum Gästezimmer hinter sich schloss und sich dagegenlehnte. Wie hatte eine simple Urlaubswoche so außer Kontrolle geraten können? Und wer hatte den Ball ins Rollen gebracht? Hatte sie Donovan irgendwie unbewusst ermutigt? Vielleicht hatte sie ein wenig zu viel von einem Happy End geträumt und ihm das unterschwellig mitgeteilt.
Oder hatte er Recht? Passten sie wirklich so gut zusammen? War es das Märchen, das einmal im Leben Wirklichkeit wurde?
Den Kopf gesenkt, schlich Jocelyn zum Bett. Wenn sie doch nur mehr Erfahrung in dieser Hinsicht besäße. Seit der Sache mit Tom hatte sie sich so gut wie nie verabredet und war daher völlig aus der Übung. Vielleicht fühlte sich ja jede Verliebtheit am Anfang so an - wie ein loderndes Feuer, das nicht mehr gelöscht werden konnte. Vielleicht war es auch nur Lust.
Vielleicht wären sie beide darüber hinweg, sobald sie wieder in Chicago waren.
Vielleicht auch nicht.
Sie legte sich auf das Bett, das sie seit ihrer Ankunft nicht benutzt hatte. Was sollte sie tun?
Ihr Handy klingelte irgendwo in der Küche, und sie sprang auf und lief hinaus, um zu antworten. „Hallo?”
„Jocelyn, ich bin es, Tess. Wie geht’s?”
Jocelyn überlegte, wie sie diese Frage beantworten sollte. „Ach, weißt du, alles so weit in Ordnung.”
„Ja? Hast du eine schöne Zeit?”
Jocelyn hörte den neugierigen Unterton in Tess’ Frage, aber sie war nicht gewillt, irgendwelche Details zu enthüllen, zumal sie das alles selbst nicht verstand. Tess würde ihr wahrscheinlich nicht einmal glauben, wenn sie ihr erzählte, dass sie eine wundervolle Zeit hatte und der Märchenprinz gerade um ihre Hand angehalten hatte.
„Was ist los?” fragte sie stattdessen.
Glücklicherweise kam Tess zum Geschäft. „Ich habe Neuigkeiten. Die Polizei hat Ben Cohen geschnappt. Er ist jetzt in Haft und hat alles gestanden.”
„Ehrlich?” Jocelyn sank auf einen Stuhl. „Das ging ja schnell.”
„Ja, ist doch gut, oder nicht? Ihr könnt jederzeit nach Hause kommen. Oh, und ich habe dich schon mal vorsorglich für eine neue Aufgabe vorgesehen. Eine Tierschützerin hat Drohbriefe bekommen.”
Plötzlich fühlte Jocelyn sich wie betäubt. Sie saß da und beobachtete, wie der Regen am Fenster hinunterlief. Es war vorbei.
Sie hatten Cohen geschnappt. Es war an der Zeit, nach Hause zu fahren.
„Jocelyn? Bist du noch dran?”
Sie riss sich zusammen. „Ja, Tess. Es ist wundervoll. Äh … wir werden unsere Sachen packen und noch heute Abend losfahren. Ich bin sicher, die Polizei wird Donovan morgen näher befragen wollen.”
„Ja, darum haben sie gebeten.” Es entstand ein lange Pause am anderen Ende. „Also, was soll ich mit der Tierschützerin tun? Willst du den Auftrag übernehmen? Sie hat ziemliche Angst.”
Jocelyn starrte weiter auf das regennasse Fenster. Irgendwo in der Ferne leuchtete ein Blitz auf. Ihr Herz begann wie wild zu klopfen, doch dann holte sie tief Luft und stand auf.
„Ja, nimm ihn an, und sag ihr, dass ich sofort anfangen werde. Ich kümmere mich gleich morgen um die Sache.”
Nachdem sie sich verabschiedet hatte, schaltete sie das Handy aus und drehte sich um.
Donovan stand an der Treppe und blickte sie entsetzt an. Seine Miene drückte Schmerz und Ungläubigkeit aus.
Jocelyns Magen verkrampfte sich vor Nervosität. „Ich wusste nicht, dass du zuhörst.”
Seine Stimme klang leise und
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