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Die Nacht der Haendler

Die Nacht der Haendler

Titel: Die Nacht der Haendler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gert Heidenreich
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hinzuzuspringen, um ihre Hand vor Verletzung schützen. Sie bewegte die Lippen vor jedem Schnitt, ohne dass ich einen Ton vernahm. Bald hatte sie den dritten der rechteckigen Körbe, die sie mit den Füßen vor sich weiterschob, bis an den Rand gefüllt; ich half ihr, die Ernte zu tragen. Vom Fallinger Kirchturm wehten Glockenschläge herüber, es war acht Uhr geworden, nun würden, sagte Anna, die Angestellten kommen, dann die Köche der Hotels. Einen der Körbe hatte sie für die Insel gedacht, die zwei anderen stellte sie vor die Tür des Gewächshauses. »Die holt sich der Pastor. Er hat neun Kinder.«
    »Nun, wie gefällt Ihnen meine Tochter? Ein tüchtiges Mädchen, nicht? Mussten Sie unbedingt mit ihr ins Bett? Nicht dass ich ein eifersüchtiger Vater wäre, Heinrich, ich kenne, wie Sie wissen, keine Gefühle, aber ich halte grundsätzlich nicht viel von dieser als Lust ausgegebenen Energieverschwendung. Wollen Sie sich die Szene noch mal ansehen? Nein? Gut, dass Sie das Licht angelassen hatten, so hatte ich auch etwas davon, obwohl ich mir nichts mehr daraus mache.« Reeper hatte auf mich gewartet, sein Gesicht leuchtete mir schon entgegen, als ich sein Rechenzentrum betrat. Er sah blass aus, so als habe er die Farbstärke des Monitors reduziert. Sofort griff er den Eindruck auf, den ich von ihm hatte: »Sie sehen blass aus, Heinrich, hat der Besuch im Gewächshaus Sie angestrengt? Ich hoffe, es geht Ihnen gut? Sie werden mir doch nicht krank werden, bevor wir unser Spielchen überhaupt richtig begonnen haben? Es war so leicht, das Geld aufzublähen und dann zu löschen. Ich musste mit meinen Programmen den gierigen Spekulanten nur vorgaukeln, sie könnten mit Zins-Swaps und Cross Border Leasing gigantische Renditen erzielen. Stell’ dir vor, Heinrich: Sie glaubten mir! Sie waren so verblendet und verblödet und brutalisiert, dass sie glaubten, die Summe von eins und eins sei fünf! Ich musste gar nicht viel tun. Sie haben fast alles selber gemacht, die kriminellen Idioten! Noch ist erst ein kleiner Teil allen Geldes vernichtet, und wie ich aus gut unterrichteten Datenbanken erfahre, hat man weltweit die Noten-pressen angeworfen. Das war vorauszusehen. So wird das Geld immer weniger wert. Es dauert etwas, bis die Inflation greift. Gut Ding will Weile haben. Nichts hasse ich so sehr wie Zeitdruck, aber wenn Ihre Konstitution nachlässt, Heinrich, müssen wir uns beeilen! Was haben Sie sich für heute vorgenommen? Außer dass Sie in Annas Gewächshäusern die dritte Linie meiner Stromversorgung entdecken wollen, Sie können das gern weiter versuchen, Sie können sie sogar lahmlegen, falls Sie sie finden – es würde mir wenig, den Kurgästen in Falling jedoch viel Unannehmlichkeiten bereiten. Also, was wollen wir tun? Nennen Sie Ihre Wünsche! Sie sehen, dass ich Ihnen meinerseits ein ganzes Stück entgegengekommen bin, ich habe nicht darauf gewartet, dass Sie die Schlüssel-DVD noch einmal entwenden können, ich habe meine Hausaufgaben gemacht, sämtliche Daten unserer letzten Begegnung geordnet, gefiltert und abgeglichen, ich bin voller Lust und Kraft!« Ich setzte mich, fühlte mich tatsächlich etwas müde und fand die pralle Tatbegierde von Reeper widerlich. Ich hatte keinen Plan, ahnte nur, dass ich in den zahllosen Dokumenten, aus denen die Pyramide bestand, nach einem Ansatz für einen direkten Einstieg in das Programm seiner Person weitersuchen musste. »Vielleicht ruhen Sie sich wirklich erst einmal aus. Wenn man erschöpft ist, findet man so kregle Kerle wie mich natürlich unanständig, zumal ich ja eigentlich als Toter ein wenig Zurückhaltung üben sollte. Aber ich bin nun einmal schrecklich tatendurstig! Sie möchten selbstredend mitten in mein EGO eindringen. Warum suchen Sie nicht erst mal in der Pyramide herum? Es gibt da ein paar wunderhübsche kleine Dokumente. Lieben Sie Venedig oder mehr den eisigen Norden, Cabo Fistera oder Ägypten, Japan, die Atlantikküste, Daressalam oder den Maghreb?« Und während er seinen Kopf als winzige Maske ins linke obere Ecke des Monitors zurückzog, um mich von dort im Auge zu behalten, spielte er mir die von der Festplatte WELT heranwirbelnde Pyramide vor, ließ nacheinander in ihrem Liniengerüst Bausteine aufleuchten, aus denen sich in unaufhörlicher Folge Filme entwickelten, eine Art rasenden Reiseführer bot er mir dar, und überall waren dieselben Aktionen zu sehen: Auf den grünen Plateaus neben der Schlucht von Islands Godafoss überfiel ein

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