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Die Nacht Der Jaegerin

Die Nacht Der Jaegerin

Titel: Die Nacht Der Jaegerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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großväterliche Figur vor, die höflich auf ihren Becher heiße Schokolade wartete.
    «Wir wissen nicht sicher, ob er hier wirklich regelmäßig gewesen ist – oder ob er auch nur ein einziges Mal hier war. Aber Ben hat ein Gerücht schon immer ausgereicht. Was noch fehlt, erfindet er einfach dazu. Das Leben ist für ihn wie das Fernsehen – wenn etwas auf dem Bildschirm auftaucht, muss es auch in Wahrheit passiert sein. Ich wünschte nur, dieses Haus wäre nicht so ... viktorianisch. Alles ist viel zu groß. Und dann diese ganzen Flure und Treppen.»
    «Mmm.» Jane dachte an den «geheimen Durchgang» unter der Treppe.
    «Im Sommer ist es nicht so schlimm. Aber jetzt im Winter ist mir klargeworden, dass ich diesen Wald nicht mag. Und diese alten, schroffen Felsen. Sie scheinen einen zu beobachten. Sie schauen zu, wie in deinem kleinen, unbedeutenden Leben alles zusammenbricht, während sie schon ewig da sind und noch ewig da sein werden.»
    Jane sah das anders. Sie mochte die Stanner Rocks, weil sie alles Geheimnisvolle mochte. Aber die Felsen boten ihr auch die Gelegenheit, eine Frage zu stellen, die ihr schon die ganze Zeit auf der Seele gelegen hatte. «Also, wo wir schon davon reden, dass hier alles viel zu groß ist – mein Zimmer ist ganz bestimmt viel zu groß.»
    «Wie bitte?»
    «Das Turmzimmer. – Es ist natürlich toll, so ein Riesenzimmer zu haben, aber ich fühle mich darin ein bisschen ... Ich bin an so große Räume einfach nicht gewöhnt, das ist alles.»
    «Oh, wir dachten ...»
    «Und ich wache nachts ständig auf. Blöd, ich weiß. Also habe ich mich gefragt ... ob ich vielleicht mein altes Zimmer wiederhaben könnte.»
    Amber sah sie nachdenklich an.
    «Nur einfach ... zu groß?»
    «Ja, ich weiß, es ist dumm.»
    «Also, wenn dir dieses Zimmer nicht gefällt, Jane ...»
    «Es liegt nicht daran, dass es mir nicht
gefällt
 ...»
    «Dann kannst du natürlich wieder in dein altes Zimmer zurück.»
    Jane nickte und versuchte, ihre Erleichterung zu verbergen. «Danke, Amber.»
     
    Als sie in den Salon kam, half ihr Ben, die Schokolade zu servieren. Dabei flüsterte er ihr ins Ohr: «Wenn ein paar von diesen alten Knaben ein junges Zimmermädchen in ihrer frischgestärkten Tracht sehen, jagt ihnen das einen Wonneschauer über den Rücken, weißt du?»
    «Für Wonneschauer bin ich nicht zuständig», erklärte Jane sittsam, und Ben lachte und spielte noch ein bisschen Holmes für zwei ältere Damen, die man eigentlich nur noch in Agatha-Christie-Filmen vermutet hätte. Einige Gäste besuchten überall im Land Krimiwochenenden.
    Der Major kam herüber, um sich seine Schokolade abzuholen. «Es tut mir sehr leid, meine Liebe, ich habe Sie für Bens Tochter gehalten.»
    «Ich bin hier nur die bezahlte Aushilfe ... Major.» Es war ein bisschen merkwürdig, mit diesem Mann zu sprechen, der gerade beschuldigt worden war, eine Frau totgeschlagen zu haben. Vielleicht trug die Atmosphäre des Hauses dazu bei, dass die Theaterszenen so eindrücklich wirkten. Jane schüttelte den Kopf, und das Rüschenband rutschte herunter. Sie fing es lachend auf. «Sind Sie wirklich ein Major?»
    Er war stämmig, etwa sechzig Jahre alt, und sein weißer Schnurrbart wirkte echt. «Frank Sampson, AVAS .»
    «Wie bitte?»
    «Arrow-Valley-Amateur-Schauspielgruppe.»
    Jane grinste. «Sie haben mich tatsächlich getäuscht!»
    Er nickte in Bens Richtung. «Schön, mal mit einem Profi zu spielen. Die beiden wissen die Atmosphäre des Ortes hier zu nutzen, das gefällt mir. Ich kenne das Haus hier nämlich schon aus den Zeiten, in denen es noch eine Jugendherberge und ein Altersheim war.»
    «Und was war es, als Conan Doyle hier gewesen ist?»
    Frank Sampson zuckte mit den Schultern. «Einfach ein Wohnhaus, vermutlich. Und damals noch ein ziemlich neues. Das gilt schon lange als Streitpunkt. Überhaupt ist das eine komplizierte Geschichte, Clancy.»
    Jane lächelte. «Ich bin Jane. Clancy ist schon zu Hause. Wie meinen Sie das, komplizierte Geschichte?»
    «Aaalsooo ... war er nun hier, oder war er nicht hier? Ich weiß es nicht. Und ich kenne auch niemanden, der es weiß.»
    «Und weshalb sollte dann überhaupt irgendjemand auf diese Idee kommen?»
    Der falsche Major blinzelte. «Nun, das ...»
    «Freunde!»
Ben stand in der Mitte des Raumes und klatschte in die Hände. «Falls ich einige von Ihnen morgen früh nicht mehr sehen sollte, wollte ich Ihnen schon an dieser Stelle dafür danken, dass Sie sich als

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