Die Nacht Der Jaegerin
um die Organisation der Küche für zwei renommierte Londoner Restaurants, die nach außen von zwei snobistischen Hampelmännern geführt wurden, die ihre Kundschaft wie Vollidioten behandelten, weil sie wussten, dass sie sich diese Arroganz dank Amber leisten konnten. Die snobistischen Hampelmänner hielten sich nicht lange, Amber jedoch würde nie unter Auftragsmangel zu leiden haben.
«Und wer war nun der Gewinner, Jane?» Amber stellte Keramikbecher auf einen Servierwagen.
«Dieser Typ mit den weißen Haaren.»
«Dr. Kennedy. Ein echter Experte. Die anderen sind nur zum Vergnügen gekommen. Aber Kennedy hat Bücher über Conan Doyle und Sherlock Holmes geschrieben. Er kennt sich sehr gut aus.»
«Ich dachte, Ben kennt sich gut aus.»
«Ben? Ben hat
Das verschwundene Buch der Fälle
für die BBC produziert, mehr aber auch nicht. Du bist vermutlich zu jung, um ...»
«Nein, ich glaube, ich habe ein paar Folgen gesehen.»
«Aber du bist bestimmt zu jung, um dich an den ganzen Wirbel zu erinnern, den es damals gab.»
Anscheinend hatte
Das verschwundene Buch der Fälle
nicht auf Conan Doyles Erzählungen basiert. Es war eher als Parodie gedacht, die sich um die Idee rankte, was Holmes wohl
wirklich
getan hatte, nachdem jeder dachte, er sei in den Reichenbach-Fällen umgekommen. Der Witz dabei war – vermutlich aus Gründen des Copyrights –, dass die Hauptfigur in
Das verschwundene Buch der Fälle
unter unbekanntem Namen agierte. Der Held sah aus wie Sherlock Holmes, sprach wie Sherlock Holmes, spielte wie er nachts Violine und jagte sich Kokain in die Adern, und jeder wusste, wer er in
Wirklichkeit
war, aber er hieß immer anders, hatte in jeder Folge einen anderen Namen.
«Daran erinnere ich mich tatsächlich nicht», gab Jane zu.
«Die zweite Staffel wurde abgesetzt. Auch die erste ist nicht besonders gut angekommen, vor allem nicht bei den Holmes-Vereinen. Die orthodoxe Version ist diesen Leuten geradezu heilig. Sie wollen dieselben Geschichten wieder und wieder bearbeitet sehen, als wären das historische Tatsachen und keine schriftstellerischen Erfindungen. Und Leute, die sich darüber lustig machen, können sie überhaupt nicht leiden.»
«Aber Ben hat sich doch dieses Wochenende nicht darüber lustig gemacht, oder? Na gut, er hat die Geschichte erfunden, aber man kann ja schließlich kein Krimiwochenende veranstalten, wenn jeder schon den Mörder kennt.»
«Krimiwochenenden», sagte Amber mit einem Seufzer.
«Aber es funktioniert doch, Amber. Ich habe es zuerst überhaupt nicht ernst genommen, weißt du ... Aber er hat es sehr gut gemacht, wenn man mal ...»
«An das winzige Budget denkt.»
«Nein, er war richtig präsent. Ben
war
Holmes.»
«Hat die Schauspielerei mit sechsundzwanzig aufgegeben», sagte Amber. «Er dachte, er sei nicht gut genug, um zu den ganz großen Bühnendarstellern zu gehören. So ist er eben.»
«Muss er denn unbedingt zu den ganz großen gehören?»
«Er muss ... das Gefühl haben, sich gegen alle Widrigkeiten durchsetzen zu können, glaube ich.» Amber probierte die heiße Schokolade. «Jedenfalls ist Dr. Kennedy der wichtigste Gast, weil er der Sekretär des Sherlock-Holmes-Vereins
Baker Street League
ist, und deren Konferenz brauchen wir unbedingt. Sie sind zwar nicht der größte und auch nicht der älteste Holmes-Verein, aber eine Verbindung zu so einer Gruppe würde uns auf jeden Fall helfen.»
Jane schnupperte an der Schokolade. Himmlisch.
«Amber ...»
«Ja?»
«Braucht Ben diese Holmes-Connection wirklich, um das Hotel zum Laufen zu bringen?»
Amber blies leicht unwillig die Backen auf. Jane wusste, dass Ben die Verkaufsannonce für das Anwesen beim Zahnarzt in einer Zeitschrift gesehen und sich sofort daraufgestürzt hatte. Er glaubte, mit einem Hotelprojekt endlich aus dem idiotischen und stressigen Fernsehgeschäft aussteigen zu können. Ben wollte etwas, das er
komplett unter Kontrolle
hatte. Das wiederholte er immer wieder.
«Ich meine ... ich weiß, dass er gesagt hat, diese Anzeige wäre ein
Zeichen
gewesen ...»
«Und jetzt findet er heraus, dass die Vorstellung von vollkommener Unabhängigkeit ein Mythos ist, ganz besonders, wenn man nur über beschränkte Mittel verfügt. Also muss er immer noch solchen Leuten wie Kennedy hinterherlaufen. Und viel mehr als diese Krimiwochenenden haben wir zurzeit ohnehin nicht. Das reicht aber nicht.»
«Und diese Conan-Doyle-Sache?» Jane sah sich in der Küche um und stellte sich eine
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