Die Nacht Der Jaegerin

mit strähnigem Haar und einer Harry-Potter-Brille, auf dessen Stirn ebenso gut
Ich bin ein Schwachkopf
hätte stehen können und der nur deshalb keine Pickel hatte, weil das Clearasil diese Woche wirkte.
    Und das hieß, dass Alistair Hardy, das Medium, dieser dickliche Mann in den Sechzigern sein musste, der sich gelegentlich mürrisch umsah und eine Aktentasche in der Hand hatte. Er sah aus wie ein Kleinstadt-Bankfilialleiter. Es war lächerlich.
    «Also», sagte Ben. «Wenn alle einverstanden sind, würde ich gern ein bisschen filmen, während Alistair die Räume ausprobiert. Antony Largo wollte selbst dabei sein, aber er ist leider verhindert. Daher ...»
    Und dann nahm Ben Jane einfach so die Sony 150 aus den Händen, klaute ihr ganz frech die Videokamera.
    «... muss ich die Aufnahmen selbst machen.» Während er mit der Videokamera weiterging, warf er Jane über die Schulter einen reuigen Blick zu. «Jane, du darfst zusehen, wie ich das mache. Da bekommst du schon mal einen ersten Einblick.»
    Du verdammter Scheißkerl!
    Jane wäre am liebsten gestorben vor Verlegenheit. Sie glaubte, den Harry-Potter-Typen grinsen zu sehen. Sie drehte sich nach Amber um, aber Amber war weg, vermutlich, um die Küche zu verbarrikadieren. Natalie tauchte an der Tür zum Salon auf, begegnete Janes Blick und zuckte mitleidig, aber hilflos mit den Schultern.

18  Angesichts des Beweises
     
    Im Speisesaal behauptete Alistair Hardy, einen Geist sehen zu können.
    Es war abstoßend, dachte Jane, so als würde er einen Schlaganfall vortäuschen. Hardy trug einen anthrazitfarbenen Anzug mit schwarzer Krawatte – vielleicht wollte er damit den Toten seinen Respekt erweisen –, und es wirkte, als sei eine Körperhälfte gelähmt. Ein Arm war steif abgewinkelt und die Finger so gebogen, als hielte Hardy jemandem die Hand.
    Ben saß kaum einen Meter von Hardy entfernt in der Hocke und richtete die Kamera aufwärts, wahrscheinlich, damit Hardy majestätischer rüberkam; außerdem war Ben – und so hatte auch einer von Eirions Ratschlägen gelautet – auf diese Weise nahe genug am Objekt, um mit dem eingebauten Mikrophon den Ton aufzunehmen.
    «Da ist eine ältere Dame mit einem Stock ... nein ... es ist so eine vierbeinige Gehhilfe.» Hardys metallisch klingende Stimme war angespannt. «Eine ältere Dame mit einer Gehhilfe!»
    Jane murmelte Natalie zu: «Das klingt ja wirklich total nach Viktorianismus.»
    Es war eiskalt im Speisesaal. Jane zog den Reißverschluss ihrer Fleece-Jacke zu. Sie hatte noch nicht entschieden, ob Hardy ein Hochstapler war oder bloß irgendeiner Selbsttäuschung erlag, aber die Tatsache, dass ihr das Filmen buchstäblich aus der Hand genommen worden war, gab ihr die Freiheit, so zynisch und gemein zu sein, wie sie nur wollte.
    «Ich glaube, hier im Haus war wirklich mal ein Altenheim, Alistair», sagte der Harry-Potter-Typ.
    «Ja», sagte Hardy. «Danke, Matthew.»
    Jane dachte:
Das hat er bestimmt sowieso gewusst.
Es war seltsam. Obwohl Jane dem Übersinnlichen sehr aufgeschlossen gegenüberstand, sagte ihr der Spiritismus einfach nichts. Da musste sie nur an düstere Räume voll dunkler Möbel denken und an alte Damen, die nach Kampfer rochen.
    «Ich würde sagen, das arme alte Mädchen litt unter Demenz», sagte Hardy. «Sie läuft immer hin und her, als hätte sie vergessen, wo sie hinwill.»
    Natalie schüttelte mit einem ironischen Grinsen den Kopf. Woran glaubte eigentlich Natalie? Jane wurde klar, dass sie davon keine Ahnung hatte. Und irgendwo machte die desinteressierte Clancy einfach weiter Hausaufgaben. Das verstand Jane genauso wenig.
    Ben sagte hinter der Kamera: «Nur der eine, hm, Geist, Alistair?» Es klang ganz beiläufig.
    «Ich bin ziemlich sicher, dass dieser Raum nicht der richtige ist, Ben.» Hardys Arm entspannte sich, er streckte die Finger.
    «Im Salon haben Sie auch nicht viel gesehen.»
    «Nein. Lassen Sie uns in die Empfangshalle zurückgehen. Oder vielleicht nach oben?»
    Jane sah Ben an. Ben sagte nichts. Sie fragte sich, wie Amber reagieren würde, wenn er Hardy den «geheimen» Durchgang unter der Treppe zeigte. Oder wenn er die Gruppe in Hattie Chancerys Zimmer führte. Jane und Natalie ließen die anderen zuerst aus dem Speisesaal gehen. Ben war hastig vorausgeeilt, um aufzunehmen, wie die Gruppe aus dem Raum ging.
    «Das ist völlig bescheuert», murmelte Jane.
    «Vielleicht können wir das nicht so genau beurteilen», sagte Nat.
    Nat war an diesem Abend sehr