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Die Nacht Der Jaegerin

Die Nacht Der Jaegerin

Titel: Die Nacht Der Jaegerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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zurückhaltend angezogen. Ihr schwarzes Wollkleid hätte auch Mom tragen können. Damit wollte Nat bestimmt die Wirkung der Aktion unterstützen, die dem Hotel zugutekommen sollte. Aber würde es wirklich so kommen? Wenn Stanner Hall einen Ruf als Beklopptentreff entwickelte, war das bestimmt nicht gut.
    «Glauben Sie wirklich, dass der Typ was sieht?»
    «Ich weiß nicht, Jane. Was meinst du?»
    «Vielleicht hat ... oder hatte er übersinnliche Fähigkeiten. Aber wenn er nichts sieht, dann erfindet er eben was. Als sogenanntes professionelles Medium muss er den Leuten schließlich was bieten, oder?»
    «Und was hält deine Mutter von solchen Leuten?»
    «Sie haben mit Amber über Mom gesprochen, oder?»
    «Ben hat mir von ihr erzählt.»
    «Dieser Mann ist wirklich die personifizierte Diskretion. Amber hätte am liebsten, dass Mom hier ein bisschen Weihwasser verspritzt, bevor die
White Company
in Aktion tritt.»
    «Und würde sie das tun?»
    «Vermutlich. Allerdings wäre es mir lieber, wenn sie gar nicht erst gefragt würde. Mir gefällt es nämlich hier, mir gefällt dieser Job.»
    Als sie aus dem Speisesaal kamen, ging Alistair Hardy gerade die Treppe hinauf, und Amber stand oben an der Küchentreppe. Ihre Miene war ausdruckslos, aber man sah an der Art, wie sie die Hände über der Küchenschürze verschränkte, wie angespannt sie war.
    Überall schien unterdrückte Spannung zu herrschen, die Atmosphäre war mit negativen Gefühlen aufgeladen, und es war, als bildeten die Mauern von Stanner Hall ein Gefäß für all diese schlechten Schwingungen, als wären sie ein Teil seines Erbes.
    Falls Ben etwas davon mitbekam, ließ er sich nichts anmerken. Er kauerte am Fußende der Treppe und filmte Alistair Hardy, der beinahe den ersten Treppenabsatz erreicht hatte, als er sich plötzlich umdrehte und wieder herunterkam.
    «Ben, ich werde in die andere Richtung gezogen.»
    Ben filmte weiter. Hardy blieb am Ende der Treppe stehen, den Arm wieder unnatürlich abgewinkelt, die Augen bis auf einen Spalt geschlossen, durch den das Weiße zu sehen war. Vielleicht hatte er ja einfach eine telepathische Begabung und deshalb mitbekommen, was Amber durch den Kopf ging.
    Langsam, wie ein Wachsoldat an der Grenze, ging Hardy durch den dunkleren Teil der Eingangshalle in Richtung der durchgebrannten Birne. Er sah zu Amber hinüber, die den Blick abwandte. Dann kam er zurück. Beth Pollen und die anderen beobachteten ihn schweigend. Mrs. Pollen trug ein kurzes, graues Cape, wie es früher von Krankenschwestern getragen wurde, über einem langen, mattgrünen Rock. Mit
ihr
als Medium, dachte Jane, hätte der Videofilm mehr hergemacht.
    «Du bist nicht allein, oder?»
    Jane fuhr herum. Alistair Hardy stand neben ihr. Sie roch sein Aftershave; es schien irgendwie unpassend, dass ein Medium Aftershave benutzte – sollten sie nicht als möglichst neutrale Reflektionsebene erscheinen? Jane versteifte sich. Es war wie bei Katzen, die sich auch unweigerlich an der Person im Zimmer rieben, die eine Katzenallergie hatte. Jane wollte ein paar Schritte weggehen und stieß gegen Harry Potter, der sich nicht bewegte.
    Hardy sah sie an, als hätte er sie noch nie zuvor gesehen. Seine Augen waren grau und ausdruckslos, wie das Buntglasfenster im Speisesaal, wenn kein Licht hindurchfiel. Jane sah zur Seite und stellte fest, dass sie direkt in die Linse der Videokamera starrte. Ben kniete mit der Kamera in den Händen entspannt und zufrieden auf dem abgewetzten Teppich mitten in der Eingangshalle. Auf einmal standen alle im Kreis um Jane herum, wie bei einem Hexenzirkel.
Was soll das?
Jane drehte sich um, wollte aus diesem Kreis heraus. Die Empfangshalle schien auf einmal voller Leute und Schatten zu sein.
    «Eine sehr vornehme Frau», sagte Hardy. «Etwas betagt, aber überhaupt nicht mit dem alten Mädchen im Speisesaal zu vergleichen. Hat dein ...? Entschuldige, ich habe deinen Namen vergessen.»
    Jane sagte nichts, sie wollte diesem Fiesling nichts über sich sagen. Sie hätte Ben am liebsten die Kamera aus der Hand getreten. Aber andererseits wollte sie auch weiter auf Stanner Hall arbeiten. Eventuell.
    «Jane», sagte sie mürrisch.
    «Ja, stimmt.» Als hätte er es die ganze Zeit gewusst und wollte nur sicher sein, dass
sie selbst
wusste, wer sie war. «Jane, ist schon eine von deinen Großmüttern gestorben?»
    «Nicht, dass ich wüsste.»
    Hardy lächelte sein schmales Bankfilialleiterlächeln. «Sie ist zweifellos gerade bei

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