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Die Nacht der Schakale

Die Nacht der Schakale

Titel: Die Nacht der Schakale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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DDR-Polizeichef gebracht hatte, loyal ergeben war.
    Im März 1982 war sein Bild plötzlich im Neuen Deutschland zu sehen gewesen. Sein Bruder Konrad Lupus, der Präsident der Ostberliner Akademie der Künste, war gestorben, und der Untergrundstratege stand mit seinen Angehörigen am offenen Grab und ließ sich auch von zahlreichen westlichen Fotografen ablichten. Bei aller Trauer – man wußte, daß er seinem an Krebs verstorbenen Bruder sehr zugetan war – hätte er die Veröffentlichung verhindern können, in der DDR-Presse ohnedies und im Westen durch Aussperrung der ausländischen Fotografen von der Bestattung.
    Seitdem rätselten alle westlichen Geheimdienste darüber, was diese bewußte Zurschaustellung bedeutete: Sollte Lupus der Nachfolger seines 75 Jahre alten Ministers Mielke werden oder – wie nicht selten und vielleicht auch nicht unbegründet behauptet wurde – beim SED-Zetka in Ungnade gefallen sein und bald abgelöst werden?
    »Wenn an diesen Gerüchten etwas ist, Sir«, sagte ich zum großen Gregory, »dann bestünde die Möglichkeit, daß Lupus versucht, durch einen halsbrecherischen Alleingang seinen alten Glanz wieder aufzupolieren.«
    Der Vice zeigte sein mumifiziertes Lächeln.
    »Ich halte es jedoch für viel wahrscheinlicher, daß er der Nachfolger seines Ministers wird. Dann kommt sein Bild ohnedies in alle Zeitungen; er bleibt in seinem Fach, ist aber weitgehend der Schußlinie entzogen. Vielleicht möchte er vor seiner Beförderung noch ein besonderes Kabinettstückchen liefern.«
    »Zum Beispiel?«
    »Den Fall Sperber«, entgegnete ich, »abgesprochen mit Zetka und KGB, eine selbst arrangierte Durchstecherei, Agenten, die den Gegenspielern geopfert werden wie bei einem Schachspiel Bauern zugunsten der Offiziere. Ich traue Lupus trotz seiner menschenfreundlichen Fassade alles zu. Wir haben ja schließlich unsere Erfahrungen mit ihm. Wir wissen, daß er alle Möglichkeiten der Dreckslinie rücksichtslos ausnutzt und dabei gegebenenfalls seine Leute nicht schont.« Ich sah ihn an, bevor ich zuschlug: »Jeder Geheimdienst schlachtet gelegentlich seine Opfertiere.«
    »Kümmerliche Kaninchen«, schnaubte der Vice, »kein preisgekröntes Zuchtvieh. Bedenken Sie doch, Lefty: Die drei Agenten von Sindelfingen sind als Wirtschaftsspione für den Osten unersetzlich.«
    »Ein Spieler riskiert mitunter den Höchsteinsatz, um den Spitzengewinn zu erraffen«, erwiderte ich.
    »Die Sekretärin des Auswärtigen Ausschusses ermöglichte der SED-Regierung Einblicke bereits in die Konzepte der Bonner Ostpolitik – und das nun schon seit vielen Jahren.«
    »Die Agentin wurde gewarnt und ist in die DDR entkommen«, konstatierte ich.
    »Das stimmt zwar«, entgegnete der Mann auf der anderen Seite des Schreibtisches, »aber eine ungemein wertvolle Nachrichtenquelle ist dadurch für immer versiegt.«
    »Vielleicht gibt es längst eine zweite, die die erste entbehrlich macht«, versetzte ich.
    »Als Kassandra sind Sie große Klasse«, erwiderte Gregory gereizt und lenkte sofort wieder ein. »Ein Jammer, daß so ein gewitzter Mann wie Sie uns verlassen will«, sagte er elegisch und setzte dann penetrant hinzu: »Zum Glück erst in drei Wochen. Keine Angst, Lefty, unser Abkommen über Ihren Wechsel in den Auswärtigen Dienst gilt noch immer, aber es wäre mir lieb, wenn Sie uns bis dahin helfen würden, das Dunkel um diese verdammt undurchsichtige Affäre zu lichten.«
    »Das würde ich gern tun«, antwortete ich betont freundlich, »aber ich darf Sie daran erinnern, daß ich bis zu meinem Ausscheiden Ende des Monats noch Urlaub habe und ab ersten Juli meinen Dienst bei der US-Botschaft in Mehlen bei Bonn antreten muß.«
    Der große Gregory stieg aus seiner guten Laune wie Frau Potiphar aus ihrem geblümten Morgenmantel, aber er wurde nicht attraktiver dabei. »Nun hören Sie mir einmal gut zu, Sie Möchtegern-Aussteiger«, wies er mich zurecht. »Ich habe Ihrer Versetzung keinen Stein in den Weg gelegt, weil Sie Verdienste um unsere Organisation haben und weil ich der Meinung bin, daß Sie uns auch weiterhin von Nutzung sein können. Es ist Ihnen doch wohl klar, daß wir einen Mann wie Sie nicht einfach ziehen lassen. Ich setze als selbstverständlich voraus, daß Sie uns insoweit noch erhalten bleiben, als man Sie bei den US-Auslandsmissionen als Abwehr-Mann verwenden wird.«
    In seinem Gesicht mit der pergamentfarbenen Haut konturierte sich ein mageres Lächeln. »Es ist nur ein halbes good bye, das wir

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