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Die Nacht der Schakale

Die Nacht der Schakale

Titel: Die Nacht der Schakale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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im deutschen Osten hergeholt hatte – nicht selten auch im Auftrag westlicher Geheimdienste –, würde sich weiter erhöhen.
    Im Machtbereich der DDR galten Leute wie Dressler als Kopfjäger und Menschenhändler. Dem immer wieder von Fluchthelfern übertölpelten Zwangsstaat stand weder moralisch noch juristisch das Recht zu, sich über die gutbezahlten Desperados zu ereifern, die Republikflüchtlingen über die Mauer halfen oder sie durch Minenfelder und Todesstreifen schleusten. Die DDR selbst nutzte im ganz großen Stil die Ware Mensch als Devisenbringer. Es war zu einer Art Waren-Termin-Geschäft geworden, zum Beispiel Häftlinge aus Bautzen gegen harte Währung zum Freikauf feilzubieten.
    »Und der Zusammenhang zu unserem No Name Case oder dem Fall Sperber?« erwiderte ich.
    »Wird zunächst einmal durch einen Mann namens Forbach hergestellt, der im Auftrag Dresslers Flüchtlinge aus der DDR herausholt, gleichzeitig aber auch für Pullach arbeitet.«
    Von ihm hatte der erste, noch sehr vage Hinweis auf einen ganz hochstehenden Überläufer aus dem Osten gestammt.
    »Gestern Abend aber«, fuhr Gregory fort, »hat Dresslers geschiedene Frau Madeleine einem Spitzenfunktionär des Ostens in einem recht seltsamen Etablissement vermutlich subversives Material übergeben.« Er erhob sich. »Und Max Konopka gehört als potentieller Sperber mit zu unserer ersten Wahl«, stellte er fest.
    »Und das Material haben wir?« fragte ich.
    »Wir haben es nicht«, entgegnete der große Gregory und erhob sich.
    »Sie sehen, Lefty, es gibt viel zu tun, bevor Sie in Ihren neuen Dienst überwechseln und mit dem Whiskyglas in der Hand für Bett und Sternenbanner streiten.« Er reichte mir die Hand. »Den Rest Ihres Lebens können Sie dann ungehindert unter Ihrem richtigen Namen verbringen.«
    »Falls er mir wieder einfällt, Sir«, erwiderte ich.
    »Sie haben wirklich Einfälle, Lefty«, versetzte Gregory. »Ich freue mich, daß Sie so in Form sind. Irgendwie habe ich Sie doch unterschätzt und nicht damit gerechnet, daß Sie PYTHIA für private Nachfragen mißbrauchen könnten.«
    Er hatte es also doch erfahren.
    »Ich müßte Ihnen jetzt einen Verweis erteilen«, fuhr er fort. »Aber ich werde Sie nicht für einen Fehler verantwortlich machen, der mir unterlaufen ist.«
    Es war das seltsamste Eingeständnis, das ich je von Gregory gehört hatte. Ich traute ihm nicht, und doch – wie sich hinterher herausstellen sollte – noch immer zu viel.
    »Nachdem das Kind schon in den Brunnen gefallen ist, sehe ich mich gezwungen, Ihnen – entgegen unseren Spielregeln – doch einige Auskünfte persönlicher Art zu erteilen.« Der Vice machte eine Kunstpause, als müßte er einen Anfang suchen und hätte sich seine gezuckerten oder gesalzenen Worte nicht längst zurechtgelegt. »Also, Madge Fiddler ist keine CIA-Bedienstete im üblichen Sinn, Sie wissen ja, Lefty, daß es bei mir keine persönliche Protektion gibt, aber in gewisser Hinsicht ist die Dame mit mir sogar verwandt.«
    »Verwandt, Sir?«
    »Ja«, bestätigte er. »Madge ist – das heißt natürlich, sie war – die Frau meines einzigen Neffen, eines sehr tüchtigen Rechtsanwalts. Er ist in Managua bei einer Schießerei, mit der er nicht das geringste zu tun gehabt hatte, ums Leben gekommen. Niemand kann sagen, ob Rebellen oder Somoza-Leute ihn getötet haben. Die junge Witwe hatte es schwer, darüber hinwegzukommen. Es war ja auch eine fürchterliche Geschichte. Ich habe mir lange überlegt, wie ich Madge ein wenig ablenken könnte und ob ich es dürfte. Ich habe dann – ihr zuliebe – alle Bedenken zurückgestellt und sie in diese Reisegruppe gesteckt, mit dem Auftrag, den Sie ja nun kennen, Lefty. Auf diese Weise also ist Madge an Sie geraten. Sicher wollte ich weder mit den Gefühlen meiner angeheirateten Nichte noch mit Ihrer Intimsphäre Schindluder treiben«, behauptete Gregory. »Sollten Sie mehr füreinander sein als eine flüchtige Reisebekanntschaft, kann ich es leider nicht mehr ändern. Höhere Gewalt gibt es immer mal, und meistens zur unrechten Zeit.«
    Die Vorstellung, daß der Vice Verwandte kennen könnte, war an sich schon absurd, daß er ihnen beistehen würde, geradezu grotesk. Mit diesen Erfahrungen verwirrte er mich jedenfalls momentan mehr als mit dem Sperber-Material.
    »Aber etwas müssen Sie mir jetzt versprechen, Lefty«, fuhr er fort. »Keinen Kontakt vor Abschluß dieses Falls. Keinerlei Nachforschungen. Ich verlasse mich

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