Die Nacht der Schakale
reizvolle Etablissement gekommen?«
»Als frühere Ehefrau von Mauro Dressler.«
»Er ist also auch Mitglied?«
»Und ein sehr rühriges«, entgegnet der BND-Ressortchef anzüglich. »Allerdings mehr als Voyeur denn Akteur.«
»Wir gehen also von einer unbewiesenen Voraussetzung aus«, sagt der Amerikaner.
»Von einer unbewiesenen, aber wahrscheinlichen«, versetzte der Pullacher Spitzenmann. »Allein die Tatsache, daß Konopka und Dressler, zwei Männer in völlig konträren Positionen, im gleichen Privatclub verkehren, ist schon höchst ungewöhnlich. Und das Ungewöhnliche reizt, selbst wenn wir es durch unsere Bürgschaft für Konopka eigentlich erst ermöglicht haben.«
»Und wie kommt Madeleine Dressler ins Spiel?« fragte Cassidy interessiert.
»Jedenfalls ziemlich plötzlich«, antwortet Ritter. »Wenn ihr Konopka tatsächlich Material übergeben hat, dann war dieser Transfer jedenfalls fachmännischer und raffinierter als die Weiterreichung der Sperber-Kassette. Es sieht übrigens so aus, als hätten wir ihre Herkunft inzwischen einigermaßen geklärt«, stellte der Ressortchef Ritter fest. »Sie wurde vorgestern morgen auf dem Postamt in Berlin-Charlottenburg aufgegeben. Keine Fingerabdrücke. Das Fabrikat läßt auch keinerlei Rückschlüsse auf die Kaufquelle zu, es ist handelsüblich, in jedem Laden zu haben. Aber ein Schalterbeamter glaubt sich zu erinnern, daß die Sendung von einer eleganten Dreißigerin abgegeben wurde, die Berliner Dialekt sprach. Der Mann kann sich irren oder ein Wichtigtuer sein. Im übrigen ist er nicht in der Lage, die Absenderin näher zu beschreiben. Elegant ist ja auch so ein Begriff, und mit dem Alter irrt man sich bei Damen bekanntlich immer wieder.«
»Trotzdem ist diese Versandart ziemlich ungewöhnlich«, erwidert Cassidy, der beinahe aktzentfrei deutsch sprach, sowie auch seine Pullacher Gesprächspartner Englisch weitgehend beherrschten.
»Vielleicht ist es ein Trick, daß es so laienhaft aussieht«, versetzte der Chef der Auswertung.
»Könnte ich das Band noch einmal abhören?« fragte der Amerikaner.
»Natürlich«, entgegnete Ritter. »Wir wollen ohnedies in den Vorführraum.«
Er lag gleich nebenan, war schalldicht, hatte keine Fenster. Die Geisterstimme dröhnte aus vielen Lautsprechern, unwirklich und doch real, blechern, eine Stimme ohne Herkunft und Charakter:
»Hier meldet sich der Sperber«, spulte die explosive Nachricht vom Band.
Ich habe Ihnen Sindelfingen und Bonn als Antrittsgeschenke überbracht als Beweis, von welchem Wert ich für Pullach und Langley sein kann, falls wir miteinander ins Geschäft kommen. Ich stehe in einer Position, die mir Einblick in viele DDR- und SU-Vorgänge ermöglicht, die unter Geheimverschluß stehen. Ich bin über die Tätigkeit von DDR-Agenten in der Bundesrepublik informiert und in der Lage, ihre Namen aufzudecken, ihre Identität zu enthüllen und zu beweisen, in welche Spitzenstellungen in der Politik, der Wirtschaft, beim Verfassungsschutz, beim Bundesnachrichtendienst und in der Bundewehr sie gelangt sind.
Ich kann Ihnen auch mitteilen, welcher Abteilungsleiter bei der BRD-Vertretung in Ostberlin, Hannoversche Straße, direkt mit der Stasi-Zentrale zusammenarbeitet.
Ich bin dazu bereit, weil ich mit dem SED-Staat brechen will.
Ich kann es aber nur wagen, wenn meine Zukunft gesichert wird. Ich benötige einen anderen Namen, eine neue Identität und ein Asyl, am besten in den USA. Zur Abschirmung gegenüber meinen Verfolgern gehört auch meine finanzielle Sicherstellung. Dafür erhalte ich einen Barbetrag von fünfhunderttausend Dollar für notwendig.
Als Stasi-Fachmann weiß ich, daß meine Informationen eigentlich unbezahlbar sind.
Demnächst melde ich mich wieder in einer mir geeignet erscheinenden Form, um zu erfahren, ob Sie grundsätzlich mit einer solchen Vereinbarung einverstanden sind, und auch um zu erfahren, wodurch und inwieweit die absolute Geheimhaltung meines Vorhabens garantiert werden kann.
Sofern Sie diese Voraussetzungen erfüllen, bin ich bereit, mit einem beauftragten Bevollmächtigen an jedem Ort außerhalb des Staatsgebietes der DDR zusammenzukommen, um die Vereinbarungen zu treffen und zu realisieren. Ende.
»Der Sperber«, las Ritter zwischen Ernst und Belustigung aus einem Konversationslexikon vor, das er sich gegriffen hatte, »schießt mit ungewöhnlich raschen kräftigen und sehr flachen Flügelschlägen dahin, erreicht erstaunliche Fluggeschwindigkeiten und stürzt sich
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