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Die Nacht der Schakale

Die Nacht der Schakale

Titel: Die Nacht der Schakale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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nur Detailkenntnisse haben konnten, selbst die auf DDR-Gebiet Operierenden.
    Pullach hatte natürlich auch hinter der 134 km langen Grenzlinie zum anderen Deutschland seine Leute, als V-Männer, Tipper und Forscher, eingeteilt in Penetrierungsquellen, Überprüfungsquellen, Reisequellen und Transitquellen. Hinter diesem Untergrundvokabular verbarg sich die simple Tatsache, daß der Gegner genauso unterwandert war wie man selbst. Spionage und Gegenspionage sind eineiige Zwillinge. Selbst extreme Wachsamkeit half da wenig.
    Auch der gepflegteste Rassehund wird immer wieder von Flöhen befallen.
    »Sie können sich nicht vorstellen, Steve, was sich zur Zeit auf der anderen Seite abspielt«, sagte Ritter, der Chef der Auswertungsabteilung bei der zwanglosen Morgenbesprechung: »Es sieht so aus, als würden wegen Sindelfingen die Köpfe rollen. Man spricht im DDR-Staatssicherheitsministerium von Strafversetzungen, Degradierungen und Untersuchungsverfahren. General Lupus soll von seinem Minister zusammengestaucht worden sein. Selbst bewährte Spitzengenossen müssen sich demütigende Kontrollen gefallen lassen.«
    Cassidy, der Dauergast, zeigte wenig Schadenfreude.
    »Skeptisch, Steve?«
    »Sagen wir mal mißtrauisch«, erwiderte der Amerikaner. »Die ganze Hexenjagd kann eine Theateraufführung sein, um uns an der Nase herumzuführen.«
    Ritter nickte.
    »Oder die hektische Verfolgung ist echt, dann könnte sie einem wirklichen Sperber an den Kragen gehen, bevor er uns noch richtig von Nutzen wäre.«
    Der CIA-Spezialist lenkte das Gespräch auf das Intermezzo im Blauen Haus.
    »Wir hätten natürlich ohne große Schwierigkeiten das Material an uns bringen können, das ihr vermutlich von Konopka übergeben worden ist«, sagte der Ressortchef ›Auswertung‹. »Aber erstens bestand die Gefahr, daß es sich selbst zerstört, und dann erschien es uns wichtiger, nichts zu überstürzen und von nun ab Madeleine Dressler zu beobachten.«
    »Die geschiedene Frau des TRASCO-Chefs?«
    »Ja«, erwiderte Ritter, ein Eierkopf, der auch pragmatisch handeln konnte und sich mitunter Zynismus erlaubte. »Da bestehen keine Zweifel; die Identität dieser Westschweizerin – sie stammt aus der Gegend von Lausanne – ist geklärt und bestätigt.«
    »Wie sind Sie auf die muntere Dame gekommen?«
    »Wir halten das Blaue Haus unter Kontrolle, seitdem wir wissen, daß gelegentlich der Genosse Konopka dort auftaucht.«
    »Und woher wissen Sie das, Peter?«
    Ritter zögerte, so lange nur, daß es Cassidy gerade noch bemerken konnte. »Well«, entgegnete er. »Ich will Ihnen eines unserer bestgehüteten Geheimnisse anvertrauen, Steve: Wir haben für Konopka die Bürgschaft in dem feinen Etablissement gestellt. Über einen Strohmann.« Er schnurrte wie die Katze, die die Maus gefressen hat. »Haben Sie uns unterschätzt?«
    »Ich möchte mal sagen: Überrascht, Peter«, versetzte der Amerikaner. »Und was halten Sie von der TRASCO?«
    »Manchmal ist sie nützlich, manchmal schädlich«, erwiderte der Ressortleiter. »Es gibt da einige Leute, die ich ganz gern bei uns sähe.«
    »Aber der eine oder andere arbeitet doch ohnedies für Sie, oder?«
    Ritter betrachtete seinen Dauergast nachdenklich. »Diesmal haben Sie mich überrascht«, antwortete er. »Sie meinen diesen Forbach?«
    »Erraten, Peter.«
    »Ein verwegener Bursche, so eine Art Landsknechttyp, als verläßlich eingestuft. Sein Bruder wurde bei einem Versuch, über die Mauer zu entkommen, erschossen. Seitdem haßt er die Vopos und die DDR.«
    »Und der Bruder?«
    »Ist echt«, entgegnete Ritter. »Keine Frage, glasklares Motiv.«
    »Aber Forbach nimmt auch Geld.«
    »Und nicht zu wenig«, bestätigte Ritter. »Der TRASCO-Chef spart weder beim Einnehmen noch beim Ausgeben; er verdient Geld wie Heu – vielleicht arbeiten deswegen einige recht brauchbare Leute auf den Transitwegen für Dressler statt für uns.«
    »So minderbemittelt?« spöttelte Cassidy.
    »Wir sind keine Verschwender«, entgegnete Ritter. »Und auch keine Hasardeure. Und wir möchten auch älter werden, als es dieser Mauro Dressler vermutlich werden wird.«
    »Und was hat seine Frau mit Konopka zu tun?«
    »Zunächst einmal«, erwidert Ritter, »ist es nur eine Vermutung. Es läßt sich nicht mit Sicherheit ausschließen, daß eine Liebesattacke des volkseigenen Casanovas einen unerwarteten Verlauf genommen hat. In diesem Haus ist diesbezüglich alles möglich.«
    »Und wie ist Madeleine Dressler überhaupt in das

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