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Die Nacht der Schakale

Die Nacht der Schakale

Titel: Die Nacht der Schakale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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Stück Vanessa, wenn mir auch Vanessa als die Summe aller Frauen erschienen war.
    Das hatte vielleicht am Vollmond gelegen oder am versilberten Strand oder an der Insel der Götter und Dämonen.
    Nichts gegen Vanessa, aber vielleicht verklärte ich sie bereits aus der Erinnerung, noch immer im Bann des Ferienzaubers; genausogut konnte es aber möglich sein, daß ich dem Götzenkult des Verliebten verfallen war, der sich nur in der Fantasie seine Göttin zurechtschnitzte. Das änderte nichts am Original, aber fördert die Einbildung, sein Traumidol so angetroffen zu haben, wie man es sich immer gewünscht hatte.
    Vanessa trat ein wenig in den Hintergrund, und die immer begehrenswerter werdende Renate schob sich nach vorne. Die Musik machte Pause, und ich brachte meine Partnerin an den Tisch zurück, froh, nach der Reizüberflutung wieder festen Boden unter den Füßen zu gewinnen. Ich entschuldigte mich und ließ Renate allein. Ich mußte mich abkühlen, konzentrieren, der Versuchung erwehren.
    Ich erinnerte mich, daß sich Steve noch nicht gemeldet hatte; er mußte längst in Berlin eingetroffen sein.
    Es war 22.00 Uhr, die Band begann wieder zu spielen. Ich blieb sitzen, und in diesem Moment sah ich den Pagen mit der Tafel, auf der mein Name stand.
    »Entschuldige mich, bitte«, wandte ich mich an Renate und ging nach unten.
    Ich erkannte Dressler sofort. Er saß in der Halle, und ich erhaschte sogar noch einen Blick auf sein flottes Horchgerät, von dem er sich hastig, aber unwillig trennte. Sie bewies sofort, daß sie weit mehr war als ein superblondes Dummchen. Sie taxierte mich kurz, sah in mir gewissermaßen die Wachablösung und entfernte sich.
    Ich beugte mich zu Dressler hinab. »Singer«, stellte ich mich vor.
    Er erhob sich beflissen. Er stand jetzt auf überhöhten Absätzen wie auf Stelzen, aber für einen wirklichen Beau fehlte ihm immer noch eine halbe Kopfhöhe, und da sein Kinn ein wenig zu kurz geraten war, reckte er es seinem Gesprächspartner ins Gesicht wie eine Speerspitze, der auch wieder ein kleines Stückchen fehlte.
    »Singer oder Schmidt?« fragte er halblaut.
    »Beides«, entgegnete ich.
    Er lachte leise. »Sie sind auf Draht, was?«
    »Ich hoffe es, Herr Dressler.«
    »Ich habe Sie früher erwartet …«
    »Umweg über Zürich«, antwortete ich.
    »Ich weiß, Madeleine hat mich verständigt. Geben Sie mir fünf Minuten Zeit?« fragte er. »Ich muß mich noch einen Moment um meine Dame kümmern.«
    »Aber gerne«, erwiderte ich und fuhr wieder zum Dachgartenrestaurant hoch.
    Renate war beschäftigt, am Parkett. Ein schmachtender Vierziger brachte sie an den Tisch zurück, blieb einen Moment stehen, als erwartete er eine Einladung.
    »Eifersüchtig?« fragte Renate.
    »Nein«, erwiderte ich.
    »Das nehme ich dir ab«, sagte sie. »Du bist nämlich blockiert.«
    »Wieso blockiert?« fragte ich zerstreut.
    »Eine andere Frau«, entgegnete sie und lachte ohne Bosheit. »Sie muß über etwas verfügen, was ich nicht habe.« Ich war verblüfft über ihre subtile Intuition und versuchte, es mir nicht anmerken zu lassen.
    »Ich habe leider eine Verabredung«, schob ich mich vom Glatteis, »Schade«
    »Bedauerlich«, erwiderte Renate, »und das am Vorabend meines Geburtstags.«
    Ich brachte sie an die Tür. Einen Moment wuchs sie an mir empor, küßte mich und verschwand behende.
    Bei Dressler dauerte die Abschiedsszene etwas länger.
    »Nelly wollte mitkommen«, sagte er, »aber wir haben ja ein Männergespräch vor uns.«
    Wir verließen die Halle.
    Diesmal belebte mich die Berliner Luft; ich atmete tief und befreit.
    »Lassen Sie uns ein bißchen die Beine vertreten und in einer Stampe noch ein Bier trinken«, sagte der Eidgenosse mit dem Imponiergehabe. »Keine Polizeistunde in Berlin, so etwas genießt man, vor allem wenn man aus Zürich kommt.«
    Ich achtete gewohnheitsmäßig auf unsere Umgebung. Nichts Verdächtiges war zu sehen, aber ich hatte das unbestimmte Gefühl, daß wir beschattet wurden; es war wohl eine Berufskrankheit.
    »Sie haben heute einen guten Mann verloren«, begann ich unvermittelt. »Forbach.«
    »Ja, ich weiß«, ging er in die Falle.
    Ich konnte nunmehr davon ausgehen, daß Konopka sein Informant gewesen war. »Forbach bringt ein großes Opfer für die westliche Freiheit«, fuhr Dressler fort, ohne rot zu werden oder ins Stottern zu kommen. »Wir setzen uns ja dafür ein, die anderen reden doch bloß.«
    Wir schlenderten an der Gedächtniskirche vorbei, bummelten

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