Die Nacht der Schakale
Golfer«, erklärte Renate. »Er hat heute ein As geschossen.«
»Gibt es denn überhaupt einen Golfplatz in Berlin?« brummelte ich.
»Wo so viele Amerikaner leben, gibt es immer einen Golfplatz«, erklärte George sehr von oben herab. »Wannsee, direkt an der Sektorengrenze, bei der Friedensbrücke, wenn Sie sie kennen sollten.«
»Golf mag ja ein ganz schöner Zeitvertreib sein«, erwiderte ich, »aber ich brauche meine Zeit in erster Linie zum Geldverdienen.«
»Zeit muß man sich einfach nehmen«, erwiderte Ashton. »Ich bin ja in Ostberlin tätig, aber ich komme so gut wie jeden Tag herüber, um meine achtzehn Löcher zu spielen. Neun schaffe ich sogar im Regen – ich brauche einfach einen Ausgleich für das triste Leben auf der anderen Seite.«
Da war mir klar, daß sich George für heiße Botengänge im deutsch-deutschen Dschungel empfahl. Einmal mehr verstärkte sich in mir das Gefühl, in eine von langer Hand vorbereitete Operation größten Ausmaßes geraten zu sein – in die Schlacht geschickt wie Urias von König David. Aber das änderte nichts daran, daß die Art, wie die Verbindung zwischen George und mir ohne jede Zwischenschaltung hergestellt wurde, perfekt war und ich auch nicht fallen wollte.
Er lud uns noch zu einem Drink ein, und ich mußte mich revanchieren. Er flirtete ein bißchen mit meiner geborgten Frau herum, und ich mimte den stolzen Eifersüchtigen, bis ich es allmählich wirklich ein wenig wurde. Aber es war nur natürlich: Ich hatte ja kein Handikap wie die Schlüsselfigur, auf die ich wartete.
Ashton erhob sich und verabschiedete sich in seinem ulkigen Deutsch. Der Barkeeper sagte uns, daß George ein netter Mann sei, ein Mercedes-Cabriolet fahre und hier beinahe täglich einen Scheidebecher einnähme, bevor er wieder in den langweiligen Teil der Stadt zurück müßte.
Er sollte sich wirklich vor den Vopos und Grepos hüten, nicht nur wegen der strikt verbotenen Promille.
Wir nahmen das Abendessen im Haus, tranken eine viel zu schwere Spätlese zum Fisch, wie es sich für Emporkömmlinge gehört. Danach ließen wir uns vom Schnellift in das Dachgartenrestaurant katapultieren. Es war bereits eine erste Attraktion des Berliner Nachtlebens gewesen, als das Intercontinental sich noch Hilton genannt hatte.
Es bietet einen herrlichen Ausblick über die Stadt ins Grüne oder auch in die Augen schöner Frauen, an denen hier kein Mangel ist. Man schwebt über den Dingen und kann sich auf dem Vulkan in den siebten Himmel der Liebe hineintanzen – so man Geld hat oder auf Spesen lebt. Das Paradies nimmt heutzutage einen höheren Eintrittspreis als ein Feigenblatt.
Die Spannung, die ich den ganzen Tag über gespürt hatte, begann sich zu lösen. Auf einmal konnte ich genießen, daß sich meine Begleiterin, entgegen meiner Weisung, nicht älter und häßlicher gemacht hatte. Ein solches Ansinnen war wohl auch eine Zumutung für eine Frau, aber an eine Handlungsreisende des Untergrunds wurden oft noch ganz andere Zumutungen gestellt.
Die Band begann zu spielen. Die ersten Paare bewegten sich auf dem Parkett. Renate lächelte mich auffordernd an. »Gehört doch eigentlich auch zu unserer Rolle?« raunte sie mir zu.
Ich erhob mich.
Sie tanzte defensiv, wenn auch anschmiegsam, lässig und rhythmisch, Renate machte die Pflichtübung zum Vergnügen. Rechtsdrehung. Die Zentrifugalkraft drückte ihren weichen, straffen Körper gegen mich, ohne Berechnung, doch mit Wirkung. Körpersprache auf Welle Sinnlichkeit.
»Keine Berührungsangst?« fragte sie.
»Hast du denn einen gegenteiligen Eindruck?«
»Mitunter«, entgegnete sie.
»Sei vorsichtig, wenn du mit dem Feuer spielst«, spielte ich mit dem Feuer.
»Warum?«
»Alte Scheunen brennen schnell.«
»Fishing for compliments«, erwiderte Renate lachend und wurde kokett. »Erstens bist du noch gar nicht so alt, zweitens brennst du nicht so leicht, drittens liebe ich das Spiel mit dem Feuer.«
»Dann übernimmst du gefälligst auch die Verantwortung dafür.«
»Verlaß dich drauf«, versetzte Renate. »Ich tue, was ich will, und ich will, was mir gefällt. Selbst ist die Frau.« Nach dieser verheißungsvollen Aggression setzte sie hinzu: »Und vergiß nicht, wir sind auf Versöhnungsreise.«
Sie wurde immer reizvoller. Auf einmal entdeckte ich die hübschen Grübchen an ihren Wangen, sah ihre prächtigen Zähne, ihre Augen, die changierten. So hatte es auch mit Vanessa begonnen; doch sie war Renate. Aber in jeder Frau steckt ein
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