Die Nacht der Schakale
fragte meine Begleiterin.
»Das steht nicht fest«, wich ich ihr aus.
Außerdem wußte ich es auch nicht.
Ich hatte die Qual der Wahl. Als erster bot sich Novotny, der ausgewechselte Fluchthelfer, als Judas an. Aber genausogut konnte Dressler den Rivalen auf seinem Exehelager verpfiffen haben. Selbst der gefährlichen Madeleine, die so gute Beziehungen zu dem Luxusgenossen Konopka hatte, war unter Umständen zuzutrauen, daß sie auf unschöne Art einen vielleicht lästig gewordenen Liebhaber loswerden wollte.
Wir erreichten den Berliner Kontrollpunkt und wurden in die alte Reichshauptstadt durchgewunken, die jetzt am Bonner Tropf hing. Vieles hatte sich in Spree-Athen geändert, aber die sprichwörtlich gute Luft war der Weltstadt erhalten geblieben, auch wenn die Atmosphäre durch Bau- und Abschreibungsskandale, das Ausländerproblem, die Überalterungsstruktur, die Demonstrantenkrawalle sowie die derzeit 125 Hausbesetzungen mit 841 Beteiligten belastet war.
Wenn ich sonst in Berlin eintraf, spürte ich diesen luftigen Jungbrunnen spätestens am Funkturm, aber heute belebte er mich nicht. Ich dachte zuviel an die beiden Männer mit den hilflos in die Höhe gereckten Armen.
Unsere Helfer hatten ein Apartment im Intercontinental für uns gemietet, auf der gleichen Etage, auf der auch Mauro Dressler mit der Vigilantin wohnte, die noch im Schlaf seine Atemzüge zählte. Ein Page fuhr den BMW in die Tiefgarage, ein zweiter nahm uns das Gepäck ab, während ich mich als ›Heinrich Schmidt aus München mit Gattin‹ in die polizeiliche Anmeldung eintrug.
»Übrigens«, sagte ich zu dem Rezeptionisten, »meine Frau hat morgen Geburtstag. Können Sie mir fünfzehn Baccararosen besorgen, die schönsten, die sich in Berlin auftreiben lassen?«
»Gerne, mein Herr.«
»Was sag' ich denn da«, verbessert ich mich, so laut, daß es die ein wenig abseits stehende Renate hören konnte. »Dreiunddreißig. Ganz genau dreiunddreißig langstielige, besonders schöne …«
»… Baccararosen«, ergänzte der Hotelbedienstete geduldig.
Wir folgten dem Pagen, der uns zum Lift brachte.
»Ganz schön neureich«, raunte mir meine Leihfrau zu. »Trotzdem, vielen Dank.«
Während Renate im Bad duschte, versuchte ich, den TRASCO-Chef zu erreichen.
»Herr Dressler ist leider ausgegangen«, sagte die Telefonistin.
»Und Frau Dressler?«
»Auch die gnädige Frau befindet sich außer Haus.«
Es blieb mir gar nichts anderes übrig, als seine Rückkehr abzuwarten und darauf zu setzen, daß ihn unsere Leute in Berlin unter Kontrolle hatten. Ich löste Renate im Bad ab, verabredete mich mit ihr unten in der Hotelbar. Ich schwemmte mir den Tag aus den Poren, zog mich um, ging nach unten, hinterließ unter Berufung auf Barry Wallner für Mauro Dressler eine Notiz, in der ich ihn bat, mich in jedem Fall nach seiner Rückkehr zu kontaktieren, auch wenn es schon sehr spät sein sollte.
Ich verließ das Hotel, als wollte ich mir die Füße vertreten, ging um die Ecke und fand eine Telefonzelle, von der aus ich unter Nennung meines Codeworts unsere Münchener Residentur anläutete. Ich berichtete, daß Forbach aufgeflogen sei. Diese Meldung war für den Mann, der sie entgegennahm, offensichtlich so neu wie für mich die Mitteilung, daß Steve Cassidy soeben mit einer Militärmaschine nach Westberlin abgeflogen sei und sich hier zur Zeit auch der Genosse Konopka herumtreibe.
Es war ein Grund mehr für mich, im Hotel den Lauf der Dinge abzuwarten. Ich ging ins Intercontinental zurück und fand Renate im Gespräch mit einem großen blonden Amerikaner, der wie ein Playboy aussah und offensichtlich beim schönen Geschlecht auch keine Gelegenheit anbrennen ließ. Meine Begleiterin trug ein dunkles, dekolletiertes Chiffonkleid, das viel Ausblick auf Haut und Bein erlaubte; sie wirkte verführerisch – nicht nur auf ihn.
»Das ist Mister Ashton«, sagte Renate.
Der Flirtpartner reichte mir die Hand und sah an mir vorbei; er gab sich wenig Mühe zu verbergen, daß ich für ihn so überflüssig war wie ein Hühnerauge auf der kleinen Zehe.
Meine hofierte Begleiterin brauchte mir George W. Ashton auch gar nicht vorzustellen: Wir kannten uns seit Jahren, wir gehörten zum gleichen Verein, zur Langley-Liga. Der Semmelblonde war jetzt Attache an der US-Botschaft in Ostberlin, so wie ich demnächst einen freilich harmloseren Posten in Bonn antreten sollte, von dem ich momentan freilich noch weit entfernt war.
»Mister Ashton ist ein großer
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