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Die Nacht der Schakale

Die Nacht der Schakale

Titel: Die Nacht der Schakale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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über den Kudamm und landeten in der Bierpinte einer Nebenstraße. Wir fanden einen Platz in einer Ecke.
    Im Lokal herrschte Lärm genug, so daß Wanzen unser Gespräch nicht belauschen konnten.
    »Ich bringe Ihnen den Sperber«, sagte Dressler.
    Ich betrachtete ihn wie irritiert. »Wer ist der Sperber?« fragte ich.
    Er wurde böse. »Entweder führen wir hier ein ehrliches Männergespräch unter vier Augen, oder wir gehen gleich ins Bett.«
    »Gut«, erwiderte ich. »Wann bringen Sie den Sperber?«
    »Am nächsten Freitag.«
    »Wohin?« fragte ich.
    »Er kommt nach New York, anläßlich der UN-Vollversammlung. Ich werde übrigens auch da sein.«
    »Ein dicker Hund«, entgegnete ich. »Und Sie werden die Begegnung vermitteln?«
    »Ja«, versprach er. »Gegen ein Honorar, das wir noch aushandeln müssen. Und mit einem Mann, den uns Ihr Chef Barry Wallner versprochen hat.«
    Ich unterdrückte meinen Zorn darüber, daß ich wieder einmal auf eine Ausgrabung gestoßen war, die vor mir schon andere gemacht hatten. Nun begriff ich endgültig den Zusammenhang zwischen Barry Wallner und Mauro Dressler und wußte auch, warum dem Vice-Chef der CIA soviel daran gelegen war, den Flugzeugabsturz des Enthüllungsjournalisten geheimzuhalten.
    »Sie kennen doch meinen Vertrag?« fragte Dressler.
    »Ja«, erwiderte ich, »fünfzigtausend und …«
    »Und – das ist nicht geschrieben, aber verabredet – eine Direktverbindung zwischen dem Sperber und Mr. Gregory.«
    »Nicht so leicht …«
    »Mister Wallner hat mir erklärt, daß er trotz gelegentlicher Differenzen erstklassige Beziehungen –«
    »Hat er auch«, bestätigte ich. »Wie kommen Sie eigentlich an den Sperber?«
    »Die TRASCO unterhält ein Netz auf DDR-Territorium«, behauptete er. »Da gibt es Querverbindungen.« Dressler unterschlug nähere Einzelheiten. »Also, mein Auftraggeber besteht darauf, am Freitag in New York mit Mister Thomas E. Gregory und keinem anderen zu sprechen und alle Vereinbarungen mit ihm direkt zu treffen.« Er unterbrach sich, sah mich an. »Schaffen Sie das bis dahin?«
    »Vielleicht.«
    »Wenn Sie es nicht schaffen, wird mein Mandant wieder nach Ostberlin abfliegen und sein Angebot zurücknehmen – der vielleicht wichtigste Mann in der Umgebung von General Lupus.«
    Der Ober brachte unaufgefordert zwei frische Biere und zwei Schnäpse. Ich sah mich wieder nach Verfolgern um. Nichts war zu bemerken. In der Ecke uns gegenüber saßen Italiener und Türken, aber es gab sie zu tausenden in Berlin, und am Wochenende kamen sie mit ihrer D-Mark sogar in den Ostsektor, um Eroberungen zu machen, die im Westteil zu kostspielig für sie waren.
    »Nun komme ich zu mir«, sagte Dressler. »Ich muß Ihnen sagen: Die Informationen, die Ihnen mein Mandant geben wird, können Sie überhaupt nicht bezahlen. Dagegen sind die Fälle Stiller und Dombrowski kleine tote Fische.«
    Siegfried Dombrowski, Oberstleutnant der Nationalen Volksarmee, memorierte ich, war der bislang trächtigste Überläufer aus dem Osten gewesen. 1958 hatte er als Weihnachtsgeschenk so ziemlich alle DDR-Militärgeheimnisse an BND- und CIA-Beauftragte übergeben. Erst nach fünf Jahren konnte die DDR wieder neue Agenten in den Westen einschleusen. Bei der Säuberungswelle waren ein DDR-General, zwei Oberste, und 67 weitere Geheimdienstangehörige verhaftet, degradiert, eingesperrt oder strafversetzt worden.
    »Sie meinen allen Ernstes, der Sperber könnte für den Westen wertvoller sein als damals Dombrowski?«
    »Gar kein Vergleich. Die Gewichte würden sich schlagartig verschieben. Sie hätten die Chance, Hunderte östlicher Agenten in aller Welt zu enttarnen.«
    Ich entschloß mich, den Pfeil abzuschießen. »So hoch schätzen Sie Max Konopka ein?« fragte ich.
    Dressler stritt den Namen ab, aber wenn der Pfeil in der Brust steckt, hat man es schwer zu beweisen, daß man nicht getroffen ist.
    »Damit wir weiterkommen«, sagte ich. »Was kosten Sie?«
    »Zehn Prozent von allen – sagen wir mal – Zuwendungen, die Sie meinem Auftraggeber gewähren.«
    »Das kann ich nicht allein entscheiden«, erwiderte ich erschrocken.
    »Wir stehen unter Zeitdruck.«
    »Spätestens morgen mittag erhalten Sie von mir Bescheid«, versprach ich.
    »Na also«, sagte Dressler und kippte meinen Schnaps gleich mit.
    Wir erhoben uns.
    »Ein Taxi, oder gehen wir zu Fuß?« fragte ich. Ich hatte es eilig. Ich mußte unverzüglich Steve Cassidy verständigen, und sah voraus, daß mir eine zweite

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