Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Nacht der Wölfin

Die Nacht der Wölfin

Titel: Die Nacht der Wölfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
Vom Netzwerk:
seine Leichen abladen, wo immer es ihm passte. Als die Menschen begannen, sich mehr für Tote und Vermisste zu interessieren, musste das Rudel es sich zur Gewohnheit machen, die Mutts, die es umbrachte, auch zu begraben. Heutzutage, im Zeitalter der Autopsien, der computervernetzten Ermittlungsarbeit und der DNA-Tests, war das Loswerden einer Leiche ein größeres Unternehmen, das einen halben Tag Vorbereitung und Arbeit erforderte. Jedes Mitglied des Rudels war in den nötigen Maßnahmen gedrillt worden, bis wir Leichen besser verschwinden lassen konnten als jeder Forensik-Spezialist.
    Wir fuhren mit dem Explorer eine Stunde lang nach Norden, unter Vermeidung aller Orte, die wir in der Vergangenheit schon für ähnliche Zwecke genutzt hatten. Eine weitere Stunde verbrachten wir damit, eine Forststraße entlangzumanövrieren und dann querfeldein noch ein Stück in den Wald zu fahren. Dann holten wir Cains Leiche aus dem Auto und zerrten sie zu einer passenden Stelle, wo wir sie auszogen, wuschen und auf Verletzungen untersuchten. Die einzigen sichtbaren Spuren waren zwei dunkle Flecke unter Cains Kehle – Blutergüsse, die Clays Daumen hinterlassen hatten, als er Cain den Hals brach. Zur Sicherheit schnitt Clay die Stellen mit dem Taschenmesser heraus. Schließlich begruben wir Cain. Dann schüttete ich das Grab wieder zu, während Clay zwei Steinblöcke beschaffte, die ein Mensch nicht hätte heben können, um sie auf das Grab zu legen. Wir gingen zurück zum Explorer, verwischten unsere Spuren und fuhren zum Schauplatz Nummer zwei.
    Schauplatz Nummer zwei war ebenso sorgfältig gewählt wie Schauplatz Nummer eins, lag aber über eine Stunde von ihm entfernt. Hier gruben wir ein Loch und warfen Cains Kleidung, seine Papiere und die Beutel und Lappen hinein, die wir beim Transport und beim Säubern der Leiche verwendet hatten. Wir tränkten sie mit Kerosin und verbrannten sie, wobei wir versuchten, so wenig Rauch wie möglich zu verursachen. Als alles zu Asche zerfallen war, vergrub Clay die Reste, und wir erklärten die Angelegenheit für erledigt. Völlig wasserdicht war das nicht, aber niemand würde jemals von sich aus nach Zachary Cain suchen. Mutts hinterlassen keine trauernden Angehörigen.
    Wir waren keine zwanzig Minuten mehr von Stonehaven entfernt, als ich im Rückspiegel blaue Lichter blitzen sah. Ich sah die Straße entlang in der Überzeugung, das Geblitze müsse jemand anderem gelten. Ich wusste genau, dass wir keine Regeln übertraten. Das Dümmste, was man tun kann, nachdem man gerade eine Leiche entsorgt hat, ist, auf dem Rückweg ein paar Verkehrsregeln zu brechen – weshalb ich es war, die fuhr, und nicht Clay. Der Tempomat war auf zwei Meilen über der vorgeschriebenen Höchstgeschwindigkeit eingestellt; die entsprechenden Vorschriften exakt einzuhalten kommt mir immer genauso verdächtig vor wie wirklich zu schnell zu fahren. Ich war die letzten dreißig Meilen eine gerade, ebene Schnellstraße entlanggefahren und hatte nicht einmal die Gelegenheit dazu gehabt, falsch abzubiegen oder ein Stoppschild zu übersehen. Ich hielt Ausschau nach Autos vor oder hinter uns, aber wir waren allein auf der Straße. Clay sah sich nach dem Polizeiauto um.
    »Hat sich die Geschwindigkeitsbegrenzung hier geändert?«, fragte ich.
    »Geschwindigkeitsbegrenzung?«
    »Vergiss es. Ich fahre seitlich ran.«
    »Kein Problem. Es ist alles in Ordnung.«
    Ich fuhr an den Straßenrand und hoffte, die Polizisten würden an uns vorbeischießen auf dem Weg zu irgendeiner Katastrophe weiter vorn. Als ihr Auto auf dem Kiesstreifen hinter uns knirschend zum Stehen kam, fluchte ich leise.
    »Alles sauber«, sagte Clay. »Hör auf, dir Sorgen zu machen.«
    Einer der Beamten ging zur Beifahrerseite und klopfte ans Fenster. Clay wartete lang genug, um seiner Gereiztheit Ausdruck zu verleihen, aber nicht lang genug, um beleidigend zu wirken; dann drückte er auf den Fensterheber, und die Scheibe glitt nach unten.
    »Clayton Danvers?«, fragte der Polizist.
    Clay sah den Mann an, ohne zu antworten.
    Der junge Beamte fuhr fort: »Mein Partner hier hat Ihr Auto erkannt. Wir haben gehofft, Sie säßen drin – das spart uns die Fahrt zu Ihnen nach Hause.«
    Clay starrte den Mann weiter an.
    »Würden Sie bitte aussteigen, Mr. Danvers?«
    Wieder wartete Clay so lange, wie es eben noch zu akzeptieren war, bevor er die Tür öffnete. Ich öffnete den Gurt und stieg ebenfalls aus, blieb aber auf meiner Seite des Autos. Die Panik verlangte

Weitere Kostenlose Bücher