Die Nacht der Wölfin
mit dir vermisst. Du bist auf jeden Fall immer gute Gesellschaft, wenn schon nichts sonst.«
LeBlanc hatte sich den Stuhl auf meiner anderen Seite genommen. Ich ignorierte ihn. Wenn ich die Wahl hatte, unterhielt ich mich sehr viel lieber mit Marsten als mit dem Mann, der Logan umgebracht hatte.
»Ich habe eine ganze Reihe von deinen Zeitschriftenartikeln gelesen«, fuhr Marsten fort. »Sehr gut gemacht. Du hast da eine wirklich erfolgreiche Laufbahn, so, wie es aussieht.«
»Nicht so erfolgreich wie mancher andere«, sagte ich, während ich seine Rolex betrachtete. »Gekauft oder gestohlen?«
Seine Augen glitzerten. »Rate mal.«
Ich dachte darüber nach. »Gekauft. Es wäre einfacher – und billiger – gewesen, sie zu stehlen, aber den Schmuck von anderen Leuten würdest du nicht tragen. Obwohl du keine Einwände dagegen hättest, sie mit dem Geld zu kaufen, das du verdient hast, indem du den Schmuck von anderen Leuten stiehlst.«
»Ins Schwarze, wie üblich.«
»Die Geschäfte laufen also gut.«
Marsten lachte wieder. »Mir geht es ganz ordentlich, danke, vor allem wenn man bedenkt, dass ich zu nichts anderem wirklich tauge. Und da wir gerade dabei sind, vor ein paar Monaten bin ich an etwas geraten, das mich an dich erinnert hat. Ein Platincollier mit einem Wolfskopf als Anhänger. Wunderbar gearbeitet. Der Kopf ist aus Platinfiligran mit Smaragdsplittern als Augen. Sehr elegant. Ich habe überlegt, ob ich ihn dir schicken soll, aber dann dachte ich, er würde wahrscheinlich nur im nächsten Mülleimer landen.«
»Das war sehr vorausschauend.«
»Ich habe aber noch nicht aufgegeben. Wenn du ihn haben willst, gehört er dir. Keine Bedingungen. Er würde dir stehen – eine hübsche ironische Wendung, die du sicher zu schätzen wüsstest.«
»Weißt du, ich bin wirklich überrascht, dass du bei dieser Geschichte dabei bist«, sagte ich. »Ich dachte immer, du magst Daniel nicht.«
Marsten seufzte theatralisch. »Müssen wir unbedingt fachsimpeln?«
»Ich hab dich einfach nie als potenziellen Anarchisten gesehen.«
»Anarchist!« Er lachte. »Kaum. Die anderen haben ihre Gründe dafür, das ganze Rudel tot sehen zu wollen, vor allem wohl, damit sie ungestört ein paar unschönen, antisozialen Neigungen nachgehen können. Mir hat das Rudel niemals Schwierigkeiten gemacht. Andererseits hat es auch nie einen Finger für mich krumm gemacht. Ich erwidere die Haltung, indem ich mich in keiner Weise dafür interessiere, was aus dem Rudel wird. Ich will einfach nur mein Territorium.«
»Und wenn du es hättest, würdest du dich aus der Sache zurückziehen?«
»Und meine Mitanarchisten im Stich lassen? Das wäre das Verhalten eines verachtenswürdigen, gewissenlosen Gauners, eines Mannes, der vollkommen darin aufgeht, seine eigenen Interessen auf Kosten anderer zu fördern. Klingt das nach mir?«
Der zweite Mann neben mir gab ein ungeduldiges Geräusch von sich. Bevor ich die Unterhaltung mit Marsten weiterführen konnte, winkte dieser in LeBlancs Richtung.
»Der hier wollte dich kennen lernen«, sagte er. »Als wir gesehen haben, wie du der Polizei in die Stadt nachgefahren bist, hat er entschieden, dass er mit dir reden will. Ich bin nur mitgekommen, um euch einander vorzustellen. Wenn er anfängt, dich zu langweilen, dann schrei. Ich lese inzwischen eine Zeitschrift.« Marsten zog eine unter dem Haufen hervor. »Hunter's Digest. Hmm. Vielleicht finde ich ein paar brauchbare Tipps.«
Marsten lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und öffnete das Heft. LeBlanc warf ihm einen Blick voll purer Verachtung zu. Er war offensichtlich schon vor einer ganzen Weile zu dem Schluss gekommen, dass Marsten ein drittklassiger Werwolf war, der kaum den Namen verdiente. Er irrte sich. Wenn ich den gefährlichsten Mutt im ganzen Land benennen müsste, hätte ich Schwierigkeiten, mich zwischen Marsten und Daniel zu entscheiden. Und wie hatte Marsten sich diesen Ruf verschafft? Indem er mehr Menschen umbrachte als irgendjemand sonst? Indem er das Rudel piesackte oder uns in Schwierigkeiten brachte? Nein und nein. Marsten war einer der wenigen Mutts, die keine Menschen töteten. Wie so vieles andere war auch dies unter seiner Würde. Was sein Verhältnis zum Rudel anging – wenn er mit uns zu tun hatte, war er so höflich und unterhaltsam wie eben jetzt mir gegenüber. Aber wir beobachteten ihn aufmerksamer als jeden anderen mit Ausnahme von Daniel. Warum? Weil er eine unbeirrbare Zielstrebigkeit besaß, die der von Clay
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