Die Nacht des Satyrs
Subjekt als ›La Maschera‹ oder ›es‹ beziehen«, half Letzterer nun auch prompt dem Zuschauer aus.
»Na schön«, fuhr der Mann fort. »Hat es Bartwuchs?«
»Natürlich, guckt doch zwischen seine Beine!«, witzelte eine andere Stimme irgendwo im Publikum.
Allgemeines Gelächter brach aus. Jordan gab sich betont gelangweilt. Sie hatte diesen Witz schon von anderen Ärzten in anderen Theatern gehört.
»Ich frage mich nur, ob es vielleicht vor dieser Veranstaltung besonders gründlich rasiert wurde, was unsere Diagnose verfälschen würde«, sagte der Mann nachdrücklich.
Salerno rieb mit der Hand über ihr Kinn. »Weich wie ein Säuglingspopo, dessen versichere ich Euch. Aber kommt, ich bitte Euch! Überzeugt Euch selbst!«
Jordan wappnete sich für das, was nun folgen würde. Diese Aufforderung war nur die erste von vielen.
Der Fragende schritt nach vorn. Seine Finger strichen über Jordans Wangen, ihr Kinn und ihren Hals. Er neigte ihr Kinn erst in die eine, dann in die andere Richtung. Absichtlich fing sie seinen Blick ein, weil sie hoffte, ihn mit ihren ungewöhnlichen dunklen Augen zu ängstigen.
Tatsächlich nahm er rasch seine Hand herunter, wischte sie sich am Hosenbein ab und trat zurück.
»Kein Bartwuchs«, verkündete er dem Publikum, ehe er wieder zu seinem Platz zurückging.
Noch mehr Fragen wurden gestellt, reichlich und in schneller Abfolge. Keine von ihnen war Jordan neu. Aber sie lag da und wartete auf die eine Frage, deren Antwort sie noch nicht kannte. Und sie freute sich beinahe auf den Schrecken, den Salerno bekäme.
»Ist der Scheidenkanal verkürzt und hinten geschlossen?«, fragte jemand.
»Nein, es gibt einen kleinen Durchlass am Ende«, versicherte Salerno ihm.
»Wie klein?«, wollte jemand anders wissen.
»Seht selbst!« Salerno winkte die Fragenden auf die Bühne.
Jordan legte sich zurück und faltete die Hände auf ihrem Bauch. Dieses Prozedere hatte sie auch schon bei allen anderen Vorführungen in den letzten Jahren mitgemacht. Manchmal war es schmerzhaft, manchmal langweilig, aber vor allem weckte diese intime Erforschung eine tiefe Scham in ihr.
Salerno zauberte einen Topf Salbe hervor, den er den beiden Männern hinhielt. Der Erste rieb sich davon eine großzügige Portion auf zwei Finger.
Unterdessen griff Salerno nach einem Glas Wasser, um seine Stimmbänder zu befeuchten.
Ein kalter schmieriger Finger glitt an Jordans inneren Schamlippen entlang, fand die Öffnung und stocherte in sie hinein. Ihre Wut stieg an, je tiefer der Finger in sie eindrang, aber sie konzentrierte sich darauf, ruhig zu atmen und abzuwarten, bis es vorbei war.
»Kein Jungfernhäutchen«, konstatierte der erste Stocherer skeptisch.
»Ich schwöre Euch, es gab eines!«, erklärte Salerno. »Es wurde vor Jahren im Rahmen anderer Untersuchungen durchbrochen.«
Ja, Jordan erinnerte sich gut.
Der Finger drang suchend weiter vor, bis Jordan sogar den Handknöchel fühlen konnte. Schließlich erreichte er das Ende der Scheide und erkundete die Perforation, die er dort fand.
»Ah! Ja, ich fühle sie.«
Jordan biss die Zähne zusammen, weil ihr Unterleib sich verkrampfte.
Dann zog der Mann seinen Finger wieder heraus.
Nun kam der nächste schmierige Finger, der ihren Vaginalkanal erforschte. Der Mann fand die Öffnung, nickte zustimmend und ließ von ihr ab.
Jordan war furchtbar wütend, doch sie sträubte sich nicht. Was auch heute mit ihr angestellt wurde, sie musste es zulassen. Das Wohlergehen ihrer Mutter und ihr eigenes hingen von ihrem Gehorsam ab.
Gehorsam. Wie sie dieses Wort verabscheute! Jedes Jahr beschwerte Jordan sich, wenn Salerno in den frühen Morgenstunden kam, um sie zu holen. Aber ihre Mutter weinte und flehte sie an. War denn
ein
Tag zu viel von einem Kind verlangt? Konnte sie nicht dieses kleine Opfer bringen, damit ihre Mutter für die restlichen 364 Tage des Jahres in Luxus lebte?, jammerte sie.
Das Vermögen von Jordans Vater – ein beträchtliches übrigens – hatte an jenem Morgen vor neunzehn Jahren, als sie geboren worden war, in der Schwebe gehangen. Er war erst eine Woche zuvor bei einem Jagdunfall ums Leben gekommen. Wäre Jordans Geschlecht als weiblich deklariert worden, hätte ein entfernter Cousin alles geerbt. Sie und ihre Mutter hätten das hübsche Haus verloren, die edle Einrichtung, die Investitionen, den Schmuck, den gesellschaftlichen Status und das hohe Ansehen bei allen Patrizierfamilien Venedigs.
Erklärte man Jordan hingegen für
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