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Die Nacht des Zorns - Roman

Die Nacht des Zorns - Roman

Titel: Die Nacht des Zorns - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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geschmissen.«
    »Die Krume, die in dem Kanten war?«
    »Ja.«
    Adamsberg öffnete das Fenster und stieß die Läden auf. Prüfend sah er in den kleinen, mit Vogelfedern übersäten Hof hinaus, der zur Hälfte als Gerümpelablage diente. In seiner Mitte bedeckte ein Rost den Wasserabfluss, er war nass, obwohl es nicht geregnet hatte.
    »Geh dann mal raus und nimm den Rost ab. Ich vermute, er hat die Krume da reingeschmissen und einen Eimer Wasser drübergekippt.«
    »Schwachsinn«, murmelte Justin, während er seine Taschenlampe in den Mund der alten Frau richtete. »Wenn er das getan hat, warum hat er den leeren Kanten dann nicht weggeworfen? Und die Krümel beseitigt?«
    »Um den Kanten wegzuwerfen, hätte er zu den Mülltonnen gehen, sich also auf der Straße zeigen müssen in der Nacht. Genau nebenan ist eine Caféterrasse, und in solchen warmen Nächten sitzen da sicher eine Menge Leute. Man hätte ihn gesehen. Und er hat sich eine sehr gute Erklärung für den Brotkanten und die Krümel ausgedacht. So originell, dass sie schon wieder wahrscheinlich wird. Er ist Champion im Kreuzworträtselraten, er hat so seine Art der Gedankenverbindung.«
    Deprimiert und zugleich mit ein wenig Bewunderung ging Adamsberg zu Tuilot zurück.
    »Als Marie und Toni kamen, haben Sie das Brot wieder aus dem Mülleimer rausgeholt?«
    »Aber nicht doch, die kennen das Ding, und sie mögendas. Toni setzt sich auf den Tritt, der Deckel springt auf, und Marie holt alles raus, was sie interessiert. Clever, was? Ja, schlau sind die, da kann man nichts gegen sagen.«
    »Also, Marie hat das Brot rausgeholt. Und dann haben alle beide die Krume gefressen? Und sich dabei geliebt?«
    »So ist es.«
    »Die gesamte Krume?«
    »Es sind große Ratten, Kommissar, die sind gefräßig.«
    »Und die Krümel? Warum haben sie die Krümel liegen lassen?«
    »Kommissar, geht’s hier um Lucette oder um die Ratten?«
    »Ich begreife nicht, warum Sie das Brot, in ein Tuch gewickelt, weggeräumt haben, nachdem die Ratten es ausgehöhlt hatten. Während Sie es davor direkt in den Müll geworfen hatten.«
    Der Alte setzte ein paar Buchstaben in sein Rätsel.
    »Sie sind vermutlich nicht besonders gut im Kreuzworträtselraten, Kommissar. Wenn ich den leeren Brotkanten in den Mülleimer geworfen hätte, das können Sie sich doch wohl denken, hätte Lucette erkannt, dass Toni und Marie da waren.«
    »Sie hätten ihn ja draußen in den Müll werfen können.«
    »Die Tür quietscht wie ein Schwein auf der Schlachtbank. Haben Sie das nicht bemerkt?«
    »Doch.«
    »Also habe ich es einfach in das Geschirrtuch gewickelt. Das erspart mir eine Szene am Morgen. Denn Szenen macht sie mir endlos, jeden Tag. Mein Gott, fünfzig Jahre lang geht sie nun schon schimpfend mit ihrem Putzlappen überall rum, wischt unter meinem Glas, unter meinen Füßen, unter meinem Hintern. Als ob ich nicht mehr das Recht hätte, zu laufen oder mich hinzusetzen. Wenn Sie so was erleben würden, hätten Sie den Kanten auch versteckt.«
    »Und im Brotkasten hätte sie ihn nicht gesehen?«
    »Eben nicht. Morgens isst sie Zwieback mit Rosinen. Sie scheint das absichtlich zu tun, denn diese Zwiebäcke verbreiten Tausende von Krümeln. So dass sie hinterher zwei Stunden lang zu putzen hat. Begreifen Sie die Logik?«
    Justin trat ins Zimmer und gab Adamsberg ein kurzes Zeichen der Bestätigung.
    »Aber gestern«, sagte Adamsberg etwas matt, »ist es nicht so gelaufen. Sie haben die Krume aus dem Brot gebohrt, zwei große Batzen Krume, fest geknetet, und sie ihr in den Mund gestopft. Als sie nicht mehr geatmet hat, haben Sie die ganze Krume wieder rausgeholt und in den Abfluss im Hof geschmissen. Es verblüfft mich, dass Sie auf diese Methode gekommen sind, sie umzubringen. Das habe ich noch nie erlebt, dass einer jemanden mit Brotkrume erstickt hat.«
    »Einfallsreich«, bestätigte Tuilot gelassen.
    »Sie ahnen sicherlich, Monsieur Tuilot, dass man auf der Brotkrume den Speichel Ihrer Frau finden wird. Und da Sie logisch vorgehen und schlau, wird man auf dem Kanten auch die Spuren der Rattenzähne finden. Sie haben sie die restliche Krume rausfressen lassen, um Ihrer Geschichte Glaubwürdigkeit zu verleihen.«
    »In einen Brotkanten reinkriechen, das mögen sie, es ist eine helle Freude, ihnen dabei zuzusehen. Ja, wir hatten gestern wirklich einen schönen Abend miteinander. Ich habe sogar zwei Gläschen getrunken, während Marie mir den Kopf kraulte. Ich habe mein Glas danach abgewaschen und wieder

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