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Die Nacht des Zorns - Roman

Die Nacht des Zorns - Roman

Titel: Die Nacht des Zorns - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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flüchtig und fähig, wie ein Strohhalm im Wind zu verschwinden. Aus der Nähe betrachtet, schätzte er sie auf etwa fünfundsechzig Jahre. Sie hatte darauf geachtet, zum Friseur zu gehen, bevor sie in die Hauptstadt fuhr, ein paarblonde Locken hielten sich noch in ihrem grauen Haar. Während Adamsberg sie ansprach, rührte sich die Taube nicht, und die Frau wandte ihm ein verängstigtes Gesicht zu. Adamsberg sprach langsam und fragte, ob er ihr irgendwie helfen könne.
    »Vielen Dank, nein«, erwiderte die Frau und sah zur Seite.
    »Wollten Sie nicht da rein?«, meinte Adamsberg und wies auf das alte Gebäude der Brigade criminelle. »Um mit einem Polizisten zu sprechen oder so was? Denn ansonsten gibt es in dieser Straße kaum was zu tun.«
    »Aber wenn einen die Polizisten nicht anhören, braucht man auch gar nicht erst hinzugehen«, meinte sie und wich ein paar Schritte zurück. »Sie glauben einem nicht, die Polizisten, wissen Sie.«
    »Also wollten Sie genau dahin? Zur Mordbrigade?«
    Die Frau senkte ihre fast durchsichtigen Brauen.
    »Sind Sie das erste Mal in Paris?«
    »Weiß Gott, ja. Und ich muss heute Abend zurück sein. Sie dürfen es nicht merken.«
    »Sie sind gekommen, um mit einem Polizisten zu reden?«
    »Ja. Also, vielleicht.«
    »Ich bin Polizist. Ich arbeite da drin.«
    Die Frau warf einen Blick auf Adamsbergs nachlässigen Aufzug und schien enttäuscht oder auch skeptisch.
    »Also kennen Sie die da vermutlich.«
    »Ja.«
    »Alle?«
    »Ja.«
    Die Frau öffnete ihre große braune, an den Seiten abgegriffene Tasche und zog ein Papier heraus, das sie behutsam auseinanderfaltete.
    »Monsieur le commissaire Adamsberg«, las sie eifrig. Kennen Sie den?«
    »Ja. Kommen Sie von weit her, um ihn zu sprechen?«
    »Aus Ordebec«, erwiderte sie, als wenn dieses persönliche Eingeständnis sie etwas kostete.
    »Sagt mir nichts.«
    »Das ist in der Nähe von, sagen wir, Lisieux.«
    Normandie, dachte Adamsberg, was ihr zögerndes Reden erklären mochte. Er hatte schon einmal eine Begegnung mit Normannen gehabt, regelrechten »Schweigern«, die zu zähmen er Tage gebraucht hatte. Als wenn ein paar Worte fallenzulassen so viel bedeutete wie einen Louisdor rauszurücken, den der andere nicht mal unbedingt verdiente. Adamsberg setzte sich in Bewegung und forderte die Frau auf, ihn zu begleiten.
    »Es gibt auch in Lisieux eine Polizei«, sagte er. »Und vielleicht sogar in Ordebec. Es gibt doch Gendarmen bei Ihnen, oder?«
    »Sie würden mir nicht zuhören. Aber der Vikar von Lisieux, der den Pfarrer von Mesnil-Beauchamp kennt, hat gesagt, dass der Kommissar von hier mich anhören würde. Die Reise war teuer.«
    »Geht es um etwas Ernstes?«
    »Ja, sicher ist es ernst.«
    »Um einen Mord?«, beharrte Adamsberg.
    »Vielleicht ja. Das heißt, nein. Es geht um Leute, die erst sterben werden. Da muss ich die Polizei doch warnen, nicht wahr?«
    »Leute, die sterben werden? Haben sie Drohungen erhalten?«
    Dieser Mann beruhigte sie ein wenig. Paris erschreckte sie, und ihr Entschluss noch mehr. Klammheimlich von zu Hause wegzufahren, die Kinder anzulügen. Und wenn der Zug sie nicht rechtzeitig zurückbrachte? Und wenn sie den Bus verpasste? Dieser Polizist sprach so sanft, ein bisschen, als wenn er singen würde. Sicher nicht einer von hier. Nein, eher ein kleiner Mann aus dem Süden, mit seinem matten Teint und den gefurchten Zügen. Ihm hätte sie ihre Geschichtegern erzählt, aber der Vikar war in diesem Punkt sehr strikt gewesen. Es sollte der Kommissar Adamsberg sein und niemand anders. Und der Vikar war nicht irgendwer, er war ein Cousin des früheren Staatsanwalts von Rouen, der sich bei Polizisten sehr gut auskannte. Er hatte ihr den Namen von Adamsberg nur widerstrebend gegeben, ihr von ihrem Vorhaben abgeraten und war im Übrigen sicher, dass sie die Reise nicht machen würde. Aber sie konnte sich doch nicht einfach verkriechen, während die
Ereignisse
ihren Lauf nahmen. Wenn nun den Kindern etwas zustieße.
    »Darüber kann ich nur mit diesem Kommissar reden.«
    »Ich
bin
der Kommissar.«
    Die kleine Frau war nahe daran, aus der Haut zu fahren, so schmächtig sie war.
    »Und warum haben Sie das nicht gleich gesagt?«
    »Ich weiß ja auch nicht, wer Sie sind.«
    »Das würde nichts bringen. Man sagt seinen Namen, und dann plappert alle Welt ihn nach.«
    »Und was macht das schon?«
    »Ärger. Niemand darf etwas wissen.«
    Intrigantin, dachte Adamsberg. Die vielleicht früher oder später an zwei dicken Klumpen

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