Die Nacht im Stau (German Edition)
jemanden aussuchen, den sie überhaupt nicht kannte? Über was würde sich ihre eigene Mutter denn freuen? Ganz sicher nicht über Dinge für die Küche. Davon besaß jede Frau, die jahrelang einen Haushalt geführt hatte, genug. Außerdem wussten diese Köchinnen meist selbst viel besser, was ihnen zusagte.
„ Vielleicht wären Handschuhe etwas Passendes?“, schlug Sonja zweifelnd vor, als sie an einem entsprechenden Stand vorbei kamen. „Klamotten sind auf jeden Fall persönlicher als eine Raspel oder eine Wunderpfanne.“
„Das ist ga r keine schlechte Idee“, nickte Robert. „Meine Mutter friert sowieso immer an die Hände.“
„Welche Handschuhgröße hat Ihre Mutter denn?“, erkundigte sich die Ve rkäuferin.
Achselzuckend blickte Robert erst die Dame hinter dem Stand, dann So nja an.
„Lass mal deine Hände sehen “, bat er seine Begleiterin und als Sonja ihm widerstrebend eine Hand hinhielt, meinte er: „Ja, so ähnlich sind die Hände meiner Mutter auch.“
„Größe sieben.“ Sonja lächelte die Verkäuferin an. Ich kann nichts dafür, dass der junge Mann keine Ahnung hat, wollte sie am liebsten mit den Augen signalisieren, doch die Verkäuferin war schon damit beschäftigt Robert einige Pa are zur Auswahl vorzulegen. Der entschied sich rasch für braune Fäustlinge aus Schafsfell und war vermutlich einfach nur froh, eines der beiden Geschenke abgehakt zu haben.
Während er bezahlte wurde Sonjas Blick wie magisch von den hell beleuchteten Auslagen am Nachbarstand angezogen. Im Licht vieler Halogenlämpchen glitzerte dort wunderschöner Silberschmuck. Verträumt ließ sie ihre Augen über die ausgestellten Exponate gleiten. Was für schöne Ketten! Und die Ringe erst! Schade nur, dass sie nicht genügend Geld zur Verfügung hatte. Solche Extravaganzen waren zurzeit einfach nicht drin. Jeden Cent, den sie verdiente, wollte sie für das Auto sparen, das sie sich nach dem Abitur zulegen würde. Aber vielleicht konnte man hier ja etwas für Roberts siebzehnjährige Schwester erstehen?
„W arum nicht.“ Robert sah Sonja auf ihren Vorschlag hin unschlüssig an. „Ich weiß nur nicht, was für sie passend sein könnte.“
S onja wählte eine Kette mit blauem Lapislazuli. Sie verschenkte gerne Dinge, die ihr selber gefielen und meistens waren die Beschenkten damit auch glücklich. Roberts Schwester würde sich bestimmt sehr freuen.
„ Mann, bin ich froh, dass du mich begleitet hast! So schnell habe ich noch nie Geschenke gefunden!“ Robert strahlte. „Wie wär’s jetzt mit einem Glühwein?“
Sonja nickte. Ihre Zehen waren in der Kürze der Zeit eiskalt geworden. Schon eine Weile lang bewegte sie sie auf und ab, in der Hoffnung, wieder etwas Blut hinein pumpen zu können. Ein heißes Getränk würde sicher gut tun.
Eng hintereinander her gehend bahnten sie sich einen Weg durch das immer dichter werdende Gewühl, bis sie schließlich einen der Essensstände erreichten, wo Robert zwei Becher Glühwein erstand.
E iner der Bistrotische wurde gerade frei und Sonja steuerte ihn rasch an um ihn besetzt zu halten bis Robert, beide Getränke balancierend, zu ihr kam.
„Auf unsere schnellen Einkäufe“, stieß er mit ihr an und lächelte.
Danach geriet das Gespräch erst einmal ins Stocken. Und jetzt? überlegte Sonja. Wie sollte das jetzt weiter gehen? War sie denn wirklich nur als hilfsbereite Mitschülerin dabei, die ihrem Mitschüler beim Geschenke kaufen beriet? Oder war das der Beginn einer Schülerfreundschaft? Irgendetwas Festeres womöglich? Sie warf Robert einen schnellen Blick zu. Wie er so da stand und den heißen Becher umklammerte! Vermutlich wartete er sehnlichst darauf, dass sie das Gespräch weiter führte. Würde er doch nur etwas sagen, dieser verklemmte Kerl!
Sie tat, als ob sie die vorbei gehenden Menschen betrachtete, doch schließlich hielt sie das Schweigen nicht länger aus. Ohne weiteres Nachdenken formulierte sie genau den Gedanken aus, der ihr gerade durch den Kopf ging.
„ Ich hatte vorhin in dem Gedränge immer damit gerechnet, dass du meine Hand nimmst.“
Herausfordernd schaute sie ihn an. Mal schauen, wie er reagierte. Es war doch ziemlich offensichtlich, dass er in sie verliebt war. Warum sonst hätte er in den letzten Tagen immer wieder Kontakt zu ihr aufgenommen.
Robert wandte den Blick ab und schaute an ihr vorbei auf ein unbestimmtes Ziel in der Ferne.
„Ich bin halt etwas schüchtern“, erwiderte er nach einer kurzen Pause.
Ganz genau ,
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