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Die Nacht Von Lissabon

Die Nacht Von Lissabon

Titel: Die Nacht Von Lissabon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
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›Mich wahrscheinlich auch. Es ist möglich, daß man uns trennt.‹
    Sie nickte.
    ›Die Gefängnisse in Frankreich sind keine Sanatorien.‹
    ›Die in Deutschland auch nicht.‹
    ›In Deutschland würde man dich nicht einsperren.‹
      Helen machte eine rasche Bewegung. ›Ich bleibe hier! Du hast deine Pflicht getan und mich gewarnt. Denk nicht mehr darüber nach. Ich bleibe. Es hat nichts mit dir zu tun. Ich gehe nicht zurück.‹
    Ich sah sie an.
      ›Zum Teufel mit der Sicherheit!‹ sagte sie. ›Und zum Teufel mit der Vorsicht! Ich hatte sie lange genug.‹
      Ich legte den Arm um ihre Schultern. ›Das sagt man leicht, Helen -‹
      Sie stieß mich von sich. ›Dann geh du!‹ schrie sie plötzlich. ›Geh und du hast keine Verantwortung! Laß mich allein! Geh! Ich komme auch allein durch.‹
    Sie blickte mich an, als wäre ich Georg. ›Sei keine Henne! Was weißt du denn? Ersticke mich nicht mit deiner Sorge und deiner Angst vor Verantwortung! Ich bin nicht deinetwegen weggegangen. Begreife das doch! Nicht deinetwegen! Meinetwegen!‹
    ›Ich begreife es.‹
      Sie kam zu mir zurück. ›Du mußt es glauben‹, sagte sie sanft. ›Auch wenn es nicht so aussieht! Ich wollte weg! Daß du kamst, war ein Zufall. Versteh das doch! Sicherheit ist nicht immer alles.‹
      ›Das ist wahr‹, erwiderte ich. ›Aber man will sie, wenn man jemand liebt. Für den anderen.‹
      ›Es gibt keine Sicherheit. Es gibt keine‹, wiederholte sie. ›Sage nichts. Ich weiß es! Besser als du! Ich habe alles dieses überdacht. Gott, wie lange ich es überdacht habe! Laß uns nicht mehr darüber sprechen, Liebster. Da draußen steht der Abend und wartet auf uns. Es werden nicht mehr viele sein in Paris.‹
      ›Kannst du nicht in die Schweiz gehen, wenn du nicht zurückwillst?‹
      ›Georg behauptet, die Nazis würden die Schweiz überrennen wie Belgien im ersten Kriege.‹
    ›Georg weiß nicht alles.‹
      ›Laß uns noch hierbleiben. Vielleicht hat er überhaupt gelogen. Woher soll er so genau vorauswissen, was passieren wird? Es hat schon einmal so ausgesehen, als ob es zum Krieg kommen würde. Dann kam München. Warum soll nicht ein zweites München kommen?‹
      Ich wußte nicht, ob sie glaubte, was sie sagte, oder mich nur ablenken wollte. Man glaubt so leicht, wenn man liebt; ich tat es an diesem Abend. Wie konnte Frankreich in einen Krieg gehen? Es war nicht gerüstet. Es mußte nachgeben. Warum sollte es für Polen kämpfen? Es hatte nicht für die Tschechoslowakei gekämpft.
    Zehn Tage später waren die Grenzen gesperrt. Der Krieg hatte begonnen.«
    »Wurden Sie sofort verhaftet, Herr Schwarz?« fragte ich.
      »Wir hatten noch eine Woche. Wir durften die Stadt nicht verlassen. Es war eine sonderbare Ironie: fünf Jahre lang wurde ich ausgewiesen - jetzt auf einmal wollte man mich nicht loslassen. Wo waren Sie?«
    »In Paris«, sagte ich.
    »Wurden Sie auch im Velodrome eingesperrt?«
    »Natürlich.«
    »Ich erinnere mich nicht an Ihr Gesicht.«
      »Im Velodrome waren Scharen von Emigranten, Herr Schwarz.«
      »Erinnern Sie sich an die letzten Tage vor dem Kriege, als Paris verdunkelt wurde?«
      »Daran natürlich! Es war, als würde die Welt verdunkelt.«
    »Die kleinen blauen Lichter, die erlaubt waren«, sagte Schwarz. »Sie glommen an den Ecken in der Nacht, als wären sie beleuchtete Gläser von Tuberkulosekranken. Die Stadt wurde nicht nur dunkel; sie wurde krank in dieser kalten blauen Dunkelheit, in der man fröstelte, obschon es Sommer war. Ich verkaufte in diesen Tagen eine der Zeichnungen, die ich vom toten Schwarz geerbt hatte. Ich wollte, daß wir mehr bares Geld bei uns hätten. Es war eine schlechte Zeit, zu verkaufen. Der Händler, zu dem ich ging, bot sehr wenig. Ich lehnte ab und verlangte die Zeichnung zurück. Schließlich verkaufte ich sie an einen reichen Filmemigranten, der Besitz für sicherer hielt als Geld. Die letzte Zeichnung hinterlegte ich beim Besitzer des Hotels. Dann kam die Polizei. Sie kam am Nachmittag, um mich zu holen. Es waren zwei Leute. Sie sagten mir, ich solle mich von Helen verabschieden. Sie stand vor mir, blaß, mit sprühenden Augen. ›Es ist nicht möglich‹, sagte sie.
      ›Doch‹, erwiderte ich. ›Es ist möglich. Sie werden dich später auch holen. Es ist besser, wenn wir unsere Pässe nicht wegwerfen, sondern sie behalten. Auch du deinen.‹
      ›Es ist wirklich besser‹, sagte einer der Polizisten in gutem

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