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Die Nacht Von Lissabon

Die Nacht Von Lissabon

Titel: Die Nacht Von Lissabon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
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Dann amüsierte ihn meine Frechheit. Er gab mir eine Zigarette und sagte, ich solle mich zum Teufel scheren, er wolle nichts gesehen und gehört haben. Zehn Minuten später erklärte er mir, er könne nichts tun, die Deutschen hätten wahrscheinlich Listen, und sie würden ihn verantwortlich machen, wenn jemand fehle. Er wolle nicht in einem deutschen Konzentrationslager verkommen.
      ›Herr Präfekt‹, sagte ich, ›ich weiß, daß Sie Gefangene geschützt haben. Ich weiß auch, daß Sie Ihren Befehlen folgen müssen. Aber Sie und ich wissen ebenso, daß Frankreich im Chaos der Niederlage steht, daß Befehle von heute die Schande von morgen sein können, und daß, wenn Konfusion in sinnlose Grausamkeit ausartet, Entschuldigungen dafür selbst später schwer zu finden sind. Wozu sollen Sie, gegen Ihren Willen, unschuldige Menschen in einem Stacheldrahtkäfig bereithalten für Krematorien und Folterlager? Es mag sein, daß in der Zeit, als Frankreich sich noch verteidigte, ein Schein von Recht bestand, Ausländer in Internierungslager zu sperren, ganz gleich, ob sie für oder gegen die Angreifer waren. Aber der Krieg ist längst zu Ende; vor wenigen Tagen haben die Sieger die Ihren zurückgeholt; - was Sie jetzt noch im Lager haben, sind Opfer, die jeden Tag vor Angst vergehen, daß man sie zum Tode abholen wird. Ich sollte Sie für alle diese Opfer bitten - ich bitte Sie nur um eines davon. Wenn Sie Listen fürchten, dann tragen Sie meine Frau als geflüchtet ein - tragen Sie sie meinetwegen als gestorben ein, als Selbstmörderin, wenn Sie wollen, dann kann Sie keine Verantwortung treffen!‹
      Er sah mich lange an. ›Kommen Sie morgen wieder‹, sagte er dann.
      Ich blieb stehen. ›Ich weiß nicht, in wessen Händen ich morgen sein werde‹, sagte ich. ›Tun Sie es heute.‹
    ›Kommen Sie in zwei Stunden wieder.‹
      ›Ich werde vor Ihrer Tür warten‹, sagte ich. ›Das ist der sicherste Platz, den ich kenne.‹
    Er lächelte plötzlich.›Quelle affaire d’amour‹, sagte er. ›Sie sind verheiratet, und Sie müssen leben, als wären Sie unverheiratet. Gewöhnlich geschieht das Gegenteil.‹ Ich atmete auf. Eine Stunde später rief er mich herein.
      ›Ich habe mit der Lagerleitung telefoniert‹, sagte er. ›Es ist richtig, daß nach Ihrer Frau gefragt worden ist. Wir werden Ihren Vorschlag befolgen und sie sterben lassen. Dann haben Sie Ruhe. Wir auch.‹
      Ich nickte. Eine sonderbare, kühle Angst beschlich mich plötzlich, ein Rest von Aberglauben, das Schicksal nicht zu beschwören. Aber war ich nicht selbst längst gestorben und lebte mit den Papieren eines Toten?
    ›Bis morgen wird alles erledigt sein‹, sagte der Präfekt.
      ›Tun Sie es heute‹, erwiderte ich. ›Ich habe einmal zwei Jahre in einem Lager gesessen, weil ich einen Tag zu spät geflohen bin.‹
      Ich war auf einmal völlig erschöpft. Er mußte es gesehen haben. Ich war grau und kurz vor einer Ohnmacht. Er schickte nach einem Kognak. ›Kaffee‹, sagte ich und fiel auf einen Stuhl. In violetten und grauen Schatten kreiste das Zimmer. Ich darf nicht fallen, dachte ich, als das Rauschen in den Ohren begann. Helen ist frei, wir müssen weg von hier!
      In das Rauschen und Flattern mischten sich ein Gesicht und eine Stimme, die schrie, unverständlich zuerst, und dann laut. Ich versuchte ihr zu folgen, ihr und dem Gesicht, und dann hörte ich sie: ›Meinen Sie denn, das ist für mich ein Spaß, merde alors? Was zum Satan ist all das? Ich bin kein Gefangenenwärter, ich bin ein anständiger Mensch, zum Teufel mit allem und allen … Sie sollen alle gehen - alle!‹
    Ich verlor die Stimme wieder, und ich weiß nicht, ob sie wirklich so geschrien hat oder ob sie nur so laut in meinen Ohren war. Der Kaffee kam, ich wankte hinaus und hockte mich auf eine Bank. Nach einiger Zeit kam jemand und sagte, ich solle noch kurze Zeit warten. - Ich wäre ohnehin nicht gegangen.
      Dann kam der Präfekt und erklärte mir, alles sei in Ordnung. Mir schien, daß mein Schwächeanfall ebensoviel genützt hatte wie alle meine Worte. ›Geht es Ihnen besser?‹ fragte der Beamte. ›Sie brauchen doch nicht eine solche Angst vor mir zu haben. Ich bin nur ein kleiner französischer Provinz-Präfekt.‹
      ›Das ist mehr als Gott‹, erwiderte ich glücklich. ›Gott hat mir nur eine sehr allgemeine Aufenthaltserlaubnis auf Erden gegeben, mit der ich nichts anfangen kann. Was ich wirklich brauche, ist eine

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