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Die Nacht Von Lissabon

Die Nacht Von Lissabon

Titel: Die Nacht Von Lissabon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
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und Gold. Nicht ein einziges Möbel; die Besitzer mußten es ausgeräumt haben, um zu flüchten.
      In einem Mansardenzimmer fanden wir endlich eine Truhe. Sie enthielt ein paar Masken, bunte, billige Kostüme, die von einem Fest stammen mußten, und ein paar Pakete Kerzen. Besser aber war eine eiserne Bettstelle mit einer Matratze. Wir suchten weiter und entdeckten etwas Brot in der Küche, ein paar Büchsen Sardinen, ein Büschel Knoblauch, ein halbgeleertes Glas Honig und im Keller ein paar Pfund Kartoffeln, ein paar Flaschen Wein und einen Stapel Holz. Es war ein Feenland!
    Das Haus hatte fast überall Kamine. Wir verhängten das
    Fenster eines Zimmers, das wahrscheinlich ein Schlafzimmer gewesen war, mit einigen der Kostüme, die wir gefunden hatten. Ich ging noch einmal um das Haus und entdeckte einen Obst- und Gemüsegarten. Äpfel und Birnen hingen noch an den Bäumen. Ich sammelte sie und brachte sie herein.
      Als es so dunkel war, daß man keinen Rauch mehr aufsteigen sehen konnte, machte ich ein Feuer im Kamin an, und wir begannen zu essen. Es war eine gespenstische und verzauberte Stimmung. Der Schein des Feuers flackerte über die herrlichen Boiserien, und unsere Schatten schwankten dazwischen wie Geister aus einer glücklichen Welt.
      Es wurde warm, und Helen wechselte ihre Kleider, um die andern zu trocknen. Sie holte ihr Abendkleid aus Paris hervor und zog es an. Ich öffnete eine Flasche Wein. Wir hatten keine Gläser und tranken aus der Flasche. Helen zog sich später noch einmal um. Sie holte aus der Truhe einen Domino und eine Halbmaske und lief damit durch das dunkle Treppenhaus. Sie rief von oben und von unten und huschte umher, ihre Stimme hallte von überall wider, ich sah sie nicht mehr, ich hörte nur ihre Füße, bis sie plötzlich hinter mir im Dunkel stand und ich ihren Atem in meinem Nacken spürte.
      ›Ich dachte, ich hätte dich verloren‹, sagte ich und hielt sie fest.
      ›Du verlierst mich nie‹, flüsterte sie durch ihre schmale Maske. ›Und weißt du, warum nicht? Weil du mich nie festhalten wolltest wie ein Bauer seinen Acker. Der glänzendste Mann ist langweilig dagegen.‹
      ›Ich bin bestimmt kein glänzender Mann‹, sagte ich überrascht.
      Wir standen auf dem Treppenabsatz. Durch die ein wenig geöffnete Tür des Schlafzimmers fiel ein Streifen des flackernden Kaminlichtes auf die Bronzeornamente des Geländers und Helens Schultern und Mund.
    ›Du weißt nicht, was du bist‹, murmelte sie und sah mich mit glitzernden Augen an, die, wie die einer Schlange, durch die Maske kein Weiß zeigten, sondern nur starr und glänzend waren. ›Aber du solltest wissen, wie trostlos all diese Don Juans sind! Wie Kleider, die man einmal trägt. Aber du - du bist das Herz.‹
    Vielleicht waren es die Kostüme, die wir trugen, die es
    uns leichter machten, solche Worte zu gebrauchen. Ich hatte ebenso wie sie einen Domino angezogen, etwas gegen meinen Willen, aber meine übrigen Sachen waren, wie die ihren, noch naß vom Tage und trockneten neben dem Kamin. Die ungewohnten Kleider in der geisterhaften Umgebung der Belle époque veränderten uns und öffneten unsere Lippen zu andern Worten als sonst. Treue und Untreue verloren ihre bürgerliche Schwere und ihre Einseitigkeit; das eine konnte das andere sein, es gab nicht nur das eine oder das andere, sondern viele Schattierungen, und die Namen verloren ihre Bedeutung.
      ›Wir sind Tote‹, flüsterte Helen. ›Beide. Wir haben keine Gesetze mehr. Du bist tot, mit einem toten Paß, und ich bin heute im Krankenhaus gestorben. Sieh unsere Kleider an! Wie bunte und goldene Fledermäuse huschen wir in einem gestorbenen Jahrhundert umher. Man nannte es das schöne Jahrhundert, und das war es auch mit seinen Menuetten, seiner Grazie und seinem Rokokohimmel - aber an seinem Ende stand die Guillotine, so wie sie immer überall steht, nach jedem Fest im kühlen Morgen, blitzend und unerbittlich. Wo wird unsere stehen, Liebster?‹
    ›Laß das, Helen‹, sagte ich.
    ›Sie wird nirgendwo stehen‹, flüsterte sie. ›Wo ist für Tote eine Guillotine? Sie kann uns nicht mehr zerschneiden, man kann das Licht nicht zerschneiden und nicht den Schatten, aber hat man nicht unsere Arme zerbrechen wollen, immer wieder? Halte mich, hier in dieser Verzauberung und dem goldenen Dunkel, und vielleicht wird etwas davon in uns bleiben und die arme Stunde unseres letzten Atems erleuchten.‹
      ›Sprich nicht so, Helen‹, sagte ich

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