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Die Nacht von Sinos

Die Nacht von Sinos

Titel: Die Nacht von Sinos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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bäumte sich das Schlauchboot auf, und Forbes zerrte O'Brien mit in die Tiefe.
    Wir jagten nun mit beängstigender Geschwindigkeit der Küste entgegen, von der uns noch etwa fünfzig Meter weißliche Gischt trennte. Eine einzige Woge ließ uns etwa die Hälfte dieses Abstandes überbrücken. Für einen Augenblick dachte ich schon, wir würden es schaffen, dann kippte uns die Hand eines Giganten einfach um.
    Ich bekam sofort Boden unter den Füßen, denn das Wasser war hier kaum tiefer als eineinhalb Meter. Neben mir trieb kieloben das Schlauchboot. Ich griff nach einer der Leinen. Von Johnson und Dawson war nichts zu sehen, aber ich hatte mit mir selbst genug zu tun. Alles ringsum war in Gischt und Dunkelheit getaucht, dann sah ich plötzlich ein Licht dreimal aufblitzen. Erst glaubte ich an eine Einbildung, aber dann sah ich es noch einmal. Verzweifelt kämpfte ich mich darauf zu.
    Eine letzte lange See wollte mich noch einmal zurückreißen, aber ich stemmte mich dagegen und klammerte mich mit der Rechten an einen Felsbrocken. Die Woge flutete zurück, jemand griff nach meinem Arm und stellte mich auf die Füße. Wir planschten durch die Finsternis, dann stolperte ich auf dem weichen, trockenen Sand, fiel auf die Knie und spuckte die halbe Ägäis aus.
    Das Brüllen des Meeres erfüllte meinen Kopf, mein Herz, meinen Verstand, die Nacht. Ich holte tief Luft, dann wurde das Rauschen leiser, und ein Licht blendete meine Augen. Ich blinzelte ein paarmal und erkannte vor mir das Gesicht einer Frau: flache Backenknochen, schrägstehende Augen, eine breite Nase, einen viel zu großen Mund. Sie sah beinahe mongolisch aus. Eine so herrlich häßliche Frau hatte ich noch nie zuvor gesehen.
    »Alles in Ordnung?« Ihre Stimme klang leise und rauh, wie man es in den nördlichen Bergen zu hören bekommt.
    »Geht schon«, antwortete ich. »Aber wer, zum Teufel, sind Sie denn? Ich sollte von Mikali abgeholt werden.«
    »Er wurde gestern versehentlich von einem Posten in der Festung erschossen«, antwortete sie ruhig. »Ich bin seine Tochter Anna.«
    »Und Sie wissen Bescheid? Sie wollen uns helfen?«
    »Ich weiß, was zu geschehen hat«, sagte sie. »Ich werde es für meinen Vater tun.«
    Ich hockte da, versuchte, meine Gedanken zu ordnen und spürte in der reinen Salzluft ihren durchdringenden Körpergeruch. Dann stolperten Sergeant Johnson und Dawson aus der Brandung und brachen neben mir zusammen.
    Sie hatten beide im Brandungsgürtel die gesamte Ausrüstung eingebüßt: Funkgerät, Maschinenpistolen, selbst die Notrationen. Sie besaßen nur noch je ein Messer und die Achtunddreißiger Smith & Wesson Automatic im Schulterhalfter. Ich hatte meine MP und den Proviantbeutel noch. Ich gab jedem von ihnen zwei Handgranaten, dann suchten wir in zwei Gruppen eine halbe Stunde lang vergeblich nach Forbes und O'Brien. Es war von vornherein ein aussichtsloses Unterfangen, da man nicht einmal die Hand vor den Augen sehen konnte.
    Wir waren also nur noch zu dritt. Daraus ergaben sich neue Probleme. Das Mädchen zeigte uns eine flache Höhle, in der wir das Schlauchboot versteckten. Dann führte sie uns quer über den Strand auf einen schmalen Pfad zu, der die schwindelerregende Klippe überwand. Es war vermutlich ganz gut, daß wir in der Finsternis nichts sehen konnten.
    Nachdem wir erst einmal die Bucht hinter uns gelassen hatten, war das Schlimmste überstanden. Im matten Sternenlicht führte uns das Mädchen über ein mit kurzem, harten Gras bewachsenes Plateau, ohne auch nur im geringsten an Vorsichtsmaßnahmen zu denken.
    Im Gebüsch vor uns regte sich etwas, ich fuhr herum, duckte mich und hielt meine MP schußbereit. Eine Kuhglocke schlug an. Dann lief ein stinkender Ziegenbock an mir vorbei.
    »Es ist nichts«, sagte sie ruhig. »Sie laufen frei herum.«
    »Und Patrouillen?«
    »Die Soldaten bleiben in der Festung, nachts gefällt es Ihnen hier draußen nicht. In alten Zeiten war hier einmal eine Stadt. Man sagt, daß die Felsen abgebrochen sind und das Meer die Stadt in einer einzigen Nacht verschlungen hat.«
    Wir kletterten zwischen Felsbrocken hindurch einen Hügel hinauf. Während der nächsten Viertelstunde wurde kein Wort mehr gesprochen. Plötzlich hatten wir die Kuppe des Berges erreicht und sahen unter uns zwischen Olivenbäumen ein Haus.
    In der Ferne bellte ein Hund. Das Mädchen sagte: »Ich geh' allein hinunter und seh' nach. Manchmal bekomme ich Besuch, Männer aus der Festung.«
    »Kommen sie oft?« fragte

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