Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Nacht von Sinos

Die Nacht von Sinos

Titel: Die Nacht von Sinos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
Vom Netzwerk:
stolperte durch die Finsternis davon.
    Das Lied der Bouzoukis schwebte klagend durch die Nacht, als ich auf Yannis Taverne zuging. Die Tür stand weit offen, und auch auf der Terrasse waren die meisten Tische besetzt.
    Das Innere sah auf den ersten Blick nach einer echten Hafentaverne aus: Steinfußboden, getünchte Wände, Balkendecke und auf der linken Seite ein offener Küchenherd, auf dem in Kupferpfannen über Holzkohle die Speisen zubereitet wurden. Aber bei den Preisen endete die Ähnlichkeit.
    Der Laden war etwa zur Hälfte besetzt, weil es noch etwas zu früh für die Touristen war. Aber etwa zwei Dutzend von ihnen saßen doch schon da, überwiegend Deutsche, darunter viele gut erhaltene Frauen. Vielleicht wäre ›reif‹ ein höflicheres Attribut gewesen. Sie waren typische Repräsentanten einer Schicht, wie man sie in jedem Land findet. Leute, die alles haben und die letztlich doch feststellen, daß sie nichts besitzen.
    Wenn sie Abenteuer suchten, waren sie hier genau richtig. In dieser Nacht lag etwas in der Luft. Ich spürte es an dem Lachen der rauhen Burschen, die an den Tischen auf der anderen Seite der kleinen Tanzfläche hockten. Es waren hauptsächlich Fischer und Schwammtaucher und durchweg Griechen, da sich immer noch nicht viele Türken hier blicken ließen. Sie machten bis auf Ciasim Divaini lieber einen weiten Bogen um Yannis Lokal. Ciasim bildete eine Ausnahme. Er fürchtete nichts auf dieser Welt und hielt auch sonst nicht viel von den Griechen.
    Daß Griechenland ein Land der Männer ist, merkt man ganz besonders auf den Inseln, wo die alten Sitten und Gebräuche noch gelten. Man nimmt seine Frau nicht mit in die Taverne. Dort trinkt man mit seinen Freunden, und wenn sich eine Frau blicken läßt - meist sind es Touristen - dann darf es sie nicht wundern, wenn man sie als Freiwild betrachtet.
    Andererseits war deutlich zu erkennen, daß die meisten Frauen im Lokal, reiche, gelangweilte, abenteuerlustige Typen, diese Spielregeln kannten und sich im Grunde genommen nichts anderes wünschten, als von irgendeinem kräftigen Schwammtaucher in den warmen Sand geworfen zu werden. Das konnte mir nur recht sein.
    Loukas, der Polizeisergeant, saß auf einem Hocker am Ende der langen Bar und unterhielt sich mit Alexias Papas. Sie tranken Ouzo und aßen Mezes von einem Teller, den sie zwischen sich stehen hatten. Das waren Käsehappen, zerkleinerter Tintenfisch und ähnliche Delikatessen, nichts für meinen Geschmack.
    Papas erblickte mich und winkte mir zu. »He, Mr, Savage. Ich hatte gehofft, daß Sie hereinschauen würden. Mr. Kytros ist wieder hier. Er möchte Sie gern sprechen.«
    »Da bin ich«, sagte ich.
    »Gut.« Er stellte eine Flasche sehr anständiges Athener Bier auf die Bar. »Ich werde ihm sagen, daß Sie hier sind.«
    Bier wird in Griechenland immer eiskalt serviert, sogar im Winter. Das ist zwar erfrischend, aber heute abend brauchte ich etwas Kräftigeres. Ich trank einen Schluck, dann füllte Sergeant Loukas ein Glas mit Ouzo und schob es mir herüber.
    »Darf ich Sie einladen, Mr. Savage?«
    Ich mochte das Zeug zwar nicht, aber eine Ablehnung wäre einer Beleidigung der griechischen Fahne gleichgekommen. Loukas war ein kleiner, unbedeutend aussehender Mann in einer schäbigen, ausgebleichten Khakiuniform. Sein schmales, unrasiertes Gesicht trug einen melancholischen Ausdruck. Nichts an ihm wirkte bedeutend, nicht einmal die Pistole an seinem Gürtel.
    Und doch mußte mehr in ihm stecken, denn ich wußte von Yanni, daß er während des Krieges Gebietskommandant der alten Befreiungsfront auf Kreta war. Er war ein gefürchteter Mann und konnte bis zuletzt immer wieder der Gestapo entwischen.
    Er lächelte mich freundlich an und fragte: »Na, wie geht's Mr. Savage? Nicht allzu gut, fürchte ich.«
    »Machen Sie sich um mich keine Sorgen«, entgegnete ich. »Ich komme schon durch.«
    »Freut mich, das zu hören.« Er kippte noch ein Gläschen Ouzo und stand auf.
    »Streife machen?« fragte ich.
    Er nickte. »Vielleicht schau' ich später noch mal herein. Dann trinken wir noch ein Glas, ja?«
    »Die Mühe würde ich mir sparen«, sagte ich, als vom anderen Ende der Bar brüllendes Lachen herüberkam und ein Glas zerschlagen wurde. »Bis dahin haben die das Lokal niedergebrannt.«
    Er lächelte höflich, als hätte er den Witz nicht verstanden. Dann wurde sein Lächeln breiter. »Sie spaßen natürlich, jetzt versteh' ich.«
    Er salutierte und ging. Ich goß mir noch einen Ouzo ein.

Weitere Kostenlose Bücher