Die Nacht von Sinos
Alekos Gesicht war starr wie weißer Marmor, und Sarah strich sich wütend das Haar aus dem Gesicht.
»Was soll das?« fragte sie. »Willst du Selbstmord begehen?«
»Ich liebe dich«, sagte ich. »Das wollte ich dir nur sagen. Wie es auch kommt, du bist das richtige Mädchen für mich. Jetzt und heute. Zum Teufel mit dem Morgen.«
Sie wurde aschfahl, und dann lächelte sie plötzlich. Sie warf einen Blick über meine Schulter und ihr Lächeln verblaßte.
Ich drehte mich um. Sie kamen zu fünft im Halbkreis näher. Andreas' guten Freunden paßte es nicht, daß er auf dem Boden lag. Es waren lauter harte Burschen, vom Alkohol benebelt. Es sah nicht gut für mich aus, zumal einer von ihnen eine Flasche packte und sie an der Kante der Theke kaputt schlug. Ein Teil der Kundschaft flüchtete zur Tür hinaus, und wenn ich noch einen Funken Verstand gehabt hätte, wäre ich ihnen nachgelaufen, aber dafür war ich zu betrunken. Außerdem konnte ich vor ihr nicht die Flucht ergreifen.
Ich packte Aleko bei der Schulter und zog ihn hoch. »Schnell, bringen Sie Sarah weg.«
Er schien nicht mehr klar denken zu können. Sie stieß ihn beiseite und erklärte trotzig: »Aber nicht ohne dich.«
Inzwischen war die Chance ohnehin vorbei, weil sich in der Tür die Menschen drängten. »Jetzt ist es zu spät, mein Engel«, sagte ich zu ihr und wandte mich dem Gegner zu. »Nun kommt schon, ihr Hunde.«
Der Whisky rollte mir durch die Adern und verlieh mir das Gefühl, drei Meter groß zu sein und es mit der ganzen Welt aufnehmen zu können. Zuerst kam der Mann mit der Flasche. Als er nahe genug herangekommen war, warf ich ihm einen Stuhl entgegen und trat ihm, als er fiel, mit voller Wucht ins Gesicht.
Im nächsten Augenblick stürzten sich die vier anderen über mich. Eine Faust streifte meine Backe, eine zweite landete hart an meinen Rippen. Ich ging unter einem Hagel von Schlägen zu Boden, aber dann wurde der Mann vor mir plötzlich aus den Schuhen gehoben und landete krachend zwischen den Zuschauern.
Ciasim Divaini brüllte vor Lachen. Mit einem weit ausholenden Faustschlag schickte er den zweiten Fischer zu Boden, ein krachender Fußtritt traf den dritten.
Jetzt wurde es wirklich bedenklich, denn Ciasim war Türke, und so etwas läßt sich kein anständiger Grieche auf eigenem Grund und Boden gefallen. Zornige Schreie stiegen auf, und mindestens ein halbes Dutzend Männer gingen zum Angriff über.
»Sieht böse aus«, sagte ich zu Ciasim, während wir uns in Richtung Küche zurückzogen.
Ihn schien ein Lachkrampf gepackt zu haben. »Was für eine Nacht, Jack. Ich hab' seit Jahren keinen solchen Spaß mehr gehabt. Und dieses Weib!« Er küßte sich die Fingerspitzen. »Sie hat mich noch durch ihr Kleid regelrecht verbrannt. Wir werden uns die ganze Nacht hindurch lieben, sag' ich dir. Wer will schon schlafen?«
Er hob einen Stuhl auf, zerschlug ihn auf dem nächsten Tisch und schwang das eine Bein wie eine Keule. »Nun kommt schon«, schrie er.
Aber da tauchte endlich Yanni Kytros auf. Mit ohrenbetäubendem Krach schlug eine Ladung Blei in die Balkendecke. Alle erstarrten. Yanni kam mit einer Winchesterbüchse um die Bar herum. Sein Gesicht wirkte so freundlich wie immer, nur die Augen lächelten nicht. Er brauchte kein Wort zu sagen. Die meisten Leute gingen freiwillig, ein paar kehrten an ihre Tische zurück.
Yanni klemmte sich die Büchse unter den Arm und sah mich seufzend an. »Mein lieber Jack, die Kunst des richtigen Vergnügens liegt darin zu wissen, wann man aufhören muß. Denken Sie in Zukunft daran.«
Er hatte immer das letzte Wort.
Sarah Hamilton und Aleko waren verschwunden, aber Ciasims neue Freundin wartete an der Tür. Er schwankte auf sie zu, legte ihr einen Arm um die füllige Hüfte und zog sie mit hinaus. Plötzlich war ich allein.
Kellner und Küchenpersonal hatten bereits aufgeräumt, die Bouzoukis spielten wieder, und seltsamerweise schien mich niemand zu beachten. Ich war der Außenseiter.
Ich ging und wanderte am Strand entlang zur Mole. Die Wirkung des Whiskys begann allmählich nachzulassen. Alle Muskeln taten mir weh, und aus einer Verletzung unter dem Auge lief mir warmes Blut übers Gesicht. Trotzdem hatten alle ihren Spaß gehabt.
Aber du hättest auf mich warten können, Sarah Hamilton.
Ich stieg hinüber auf die ›Gentle Jane‹ und ging nach unten. Von Morgan war nichts zu sehen. Wahrscheinlich schlief er in irgendeiner Taverne seinen Rausch aus. Würde ich wohl auch so enden?
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