Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Nacht von Sinos

Die Nacht von Sinos

Titel: Die Nacht von Sinos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
Vom Netzwerk:
hätte er gerade eine Entdeckung gemacht. »Großer Gott, jetzt begreife ich, Savage: Sie haben die Nerven verloren.«
    »Genau«, antwortete ich vergnügt. »Ich hab' mehr Angst als Vaterlandsliebe.«
    Sarah erhob sich gähnend. »Manchmal benimmst du dich wirklich wie ein Narr, Dimitri. Können wir jetzt bitte endlich etwas essen?«
    »Ohne mich«, sagte ich. »Mir ist auf einmal der Appetit auf die feineren Dinge des Lebens vergangen.«
    »Na schön«, sagte sie, »lassen Sie mir fünf Minuten Zeit zum Umziehen, dann treffen wir uns oben an Deck. Sie können mich ausführen.«
    Sie ging rasch hinaus. Aleko funkelte mich an und war noch bleicher als vorher. In seiner rechten Backe zuckte ein Muskel. Ich glaubte schon, er wolle auf mich losgehen, was bei seiner Körpergröße für mich bestimmt nicht sehr gesund gewesen wäre. Ich drehte mich um und ging hinüber in den Salon. Er rief meinen Namen und stand in der Tür, als ich den Raum schon halb durchquert hatte.
    »Sie verschwenden Ihre Zeit, Savage, sie ist nichts für Sie.«
    Ich drehte mich um. »Da ist sie anderer Meinung.«
    Ich wollte meinen Weg fortsetzen, da sagte er: »Sie muß sterben, Savage. Jeder Tag bringt sie dem Tod einen Schritt näher.«
    »Ist das nicht bei uns allen so?«
    Das sollte salopp klingen, aber mein Herz begann zu klopfen, und ich konnte nichts dagegen tun. Ich ahnte, daß er mir etwas mitteilen würde, was so manches Eigenartige an ihr erklärte.
    »Chronische Leukämie«, sagte er in einem Ton, als wollte er mich absichtlich verletzen. »Sind Sie nun zufrieden?«
    Wütend und verzweifelt wie ein kleines Kind schlug ich zu. Meine Faust streifte seine rechte Backe und warf ihn gegen die Bar zurück. Dort blieb er stehen, funkelte mich zornig an, machte aber keine Bewegung der Gegenwehr. Ich drehte mich um und ging hinaus.
    Als die Dunkelheit sich auf den Strand herabsenkte, hatte ich diese Welt verlassen. Der Vollmond hing am Himmel, und es leuchteten mehr Sterne, als ich je zuvor gesehen hatte. Es war eine Nacht, in der es sich lohnt zu leben.
    Schon dieser Gedanke stach mir wie ein Messer in die Brust, und ich streifte sie mit einem fragenden Blick. Sie hatte einen Leinenrock und einen weißen Pullover angezogen und ihr Haar zurückgebunden. Zum erstenmal sah sie wirklich so jung aus, wie sie war, und plötzlich wallte in mir das Mitleid auf, es drückte mir fast die Kehle zu.
    Hastig zündete ich mir eine Zigarette an und hielt ihr verspätet die Packung hin. Sie schüttelte den Kopf. Wir schlenderten an den Booten vorüber, ließen den Hafen hinter uns und folgten dem weißen Sandstreifen, der zu den Klippen führte.
    »Sie haben mir immer noch nicht gesagt, warum Sie sich für diese Geschichte interessieren«, sagte ich. »Oder wollen Sie einfach Lord Byron spielen?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Dimitri hat mich ins Vertrauen gezogen, das ist alles. Ich weiß schon seit einiger Zeit, was er beabsichtigt. Das ganze ist politischer Unsinn. Er wollte meine Meinung über Sie hören, wie Sie auf das Angebot reagieren würden.«
    »Und haben Sie's ihm gesagt?«
    »Ich hab' ziemlich genau getippt.« Sie lachte. »Ich hab' ihm gesagt, dafür wären Sie nicht hungrig genug, und ich hatte recht.«
    »Sie glauben also nicht, daß ich nur einfach Angst habe?«
    »Sie wären ein Narr, wenn Sie keine Angst hätten. Aber Sie haben recht: Sie haben Ihre Gesundheit und das Schiff, und das ist immer noch besser als tot zu sein.«
    »Das wird ihn Kopf und Kragen kosten«, sagte ich. »Das wissen Sie doch? Früher oder später wird man ihn erwischen.« »Ich weiß es. Manchmal glaube ich, daß auch er es weiß. Und warum er es tut? Das hängt vielleicht mit einem Jugenderlebnis zusammen. Er ist in einem Bergdorf auf dem Peloponnes aufgewachsen. Seine Eltern und seine beiden Schwestern starben im Kampf mit den anrückenden Soldaten. Er spricht nicht darüber, aber er hat etwas gegen das Militär.«
    Sie war überraschend vergnügt, zog ihre Sandalen aus und planschte im seichten Wasser. »Aber Sie überraschen mich, Jack Savage. Ein Ire, der sich nicht für Politik interessiert?«
    »Die Politik hat meinen Vater umgebracht«, antwortete ich.
    »Auch er ist angeblich immer nur für die gute Sache eingetreten. Er hat auch noch weitergemacht, als de Valera aufgab. Auf der Farm meiner Mutter in der Nähe von Sligo, die ihr mein Onkel hinterlassen hatte, erwischten sie ihn. Er wehrte sich bis zuletzt und wurde erschossen.«
    »Und das hat Ihnen die

Weitere Kostenlose Bücher