Die Nacht wird deinen Namen tragen (German Edition)
berühmt machen sollte.
»Was ist los?« Ich hatte wohl schon eine Weile, den Hörer noch in der Hand, vor mich hin gestarrt, denn Madelaine, die dunkelhäutige Volontärin, klang besorgt, als sie in meine Erinnerungen eindrang.
»Es ist jemand gestorben.« Es war eine Wahrheit, die wenig besagte, der ich im Augenblick aber nichts anzufügen wusste. Und tatsächlich, obwohl es wenig oder nichts erklärte, Verständnis schien über ihr Gesicht zu huschen.
»Altomonte ist tot.«
»Der Physiker?«
Ich nickte.
»Das war ein Freund von dir?«
Ein Freund? Wieder nickte ich.
»Es tut mir leid.«
Es brauchte ihr nicht leid zu tun.
Der laufende Fernseher spiegelte sich flackernd in der großen Fensterfront. Ich sah hinaus auf den Hafen. Das rötliche Licht der Lampen strich über die dunklen Bassins und umgab Speicher und Kais wie eine wärmende Aureole. Obwohl es mit Einbruch der Nacht ruhiger geworden war, schwangen die Ladekräne hin und her, und manches Gefährt hastete einer unbekannten Bestimmung entgegen. Es war, als hätte die Aufbruchsstimmung des Hafens heute auch mich erfasst.
»Wie erst heute bekannt wurde, kam am letzten Sonntag in Genf der fünfundvierzigjährige Schweizer Physiker Massimo Altomonte bei einem Unfall ums Leben. Erst im vergangenen Jahr war ihm der Nobelpreis für seine bahnbrechenden Arbeiten im Bereich der Hochenergiephysik zuerkannt worden. Näheres über die Umstände wurde zunächst nicht bekannt.«
Als könnte ich mich nicht daran gewöhnen, schrak ich auf. Hinter der Sprecherin prangte ein Schwarzweißfoto. Ein tadellos gekleideter Altomonte sah mich spöttisch an.
Mein Alphabet der Frauen
Ist ER ein hingebungsvoller Liebhaber, ein abgebrühter Macho, schlicht bindungsunfähig – oder ein bisschen von allem? Zwanzig Frauen, die auf den ersten Blick nichts gemein haben, öffnen einer ihnen unbekannten Journalistin das Herz und geben intimes Zeugnis ihrer Affäre mit IHM. Manche haben allen Grund, richtig sauer zu sein, andere trauern IHM hinterher. Einige teilten nur ein paar Tage mit ihm, andere gingen jahrelang mit IHM durch Dick und Dünn. Lustvoll für die Einen, deprimierend für die Anderen, zerstörerisch für einzelne: Diese Beziehungen haben kaum eine unberührt gelassen.
Marco Lalli genießt in seinem neuen Roman das Spiel mit den Perspektiven. Er lässt uns durchs Schlüsselloch schauen und öffnet Abgründe. «Mein Alphabet der Frauen« ist schlüpfrig, zeugt von Hingabe, verknüpft Dramen in Miniaturform zu einer komplexen Erzählung. Was auf den ersten Blick nur eine frivole Aneinanderreihung von Bettgeschichten à la Casanova sein könnte, entwickelt sich schnell zu einer vielschichtigen Erzählung mit psychologischer Dichte.
Für manche Protagonistin ist nämlich die Zeit gekommen, abzurechnen. Andere haben dieses Kapitel ihres Lebens längst vergessen und holen die Erinnerungen aus der Tiefe hervor. Der Leser hat die Wahl: Leidet er mit den Frauen mit, bedauert er sie, freut er sich mit ihnen an den gemachten Erfahrungen – oder entwickelt er gar Hassgefühle gegen den so dezent im Hintergrund bleibenden eigentlichen Hauptdarsteller?
ER darf sich zurücklehnen, nun haben die Frauen das Wort.
Leseprobe
Laura
Ich erinnere mich an einen Tag Ende Januar. Es war der 28., ein Dienstag. Ich weiß das so genau, weil an diesem Tag die Challenger vom Himmel fiel. Ich klingelte an seiner Haustür, eine ramponierte Tür aus Sicherheitsglas, die zu einem fünfstöckigen Haus im Osten Mannheims gehörte. Sozialer Wohnungsbau, wie er manchmal scherzte, obwohl es wahr sein musste. Die Tür war schon abgeschlossen, und so kam er von ganz oben herunter. Außer Atem, als sei er ganze Treppenabsätze auf einmal heruntergesprungen, umarmte er mich und wollte mich küssen, als ich ihm sagte, die amerikanische Raumfähre sei explodiert.
Es gibt solche Augenblicke. Wir stehen noch halb auf der Straße, Autos, die im Schritttempo einen Parkplatz suchen, ein Junge, der sein Fahrrad abschließt und sich an uns vorbei ins Treppenhaus drängt. Es ist kalt, und sein Atem kommt stoßweise, kleine Wolken, die aus seinem Mund quellen, mir ins Gesicht.
Er sagt nichts, hält noch immer meinen Arm, und ich stehe auf Zehenspitzen, um seinen Kuss zu erwidern. Es gibt solche Augenblicke, in denen man sich als Teil von etwas Größerem fühlt. Historische Augenblicke, wie man so schön sagt. Nicht so bedeutend wie der 11. September, aber doch groß genug, um sich für
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