Die Nacht zum Dreizehnten
öffnete. »Ich wollte zu Herrn Streiber …«
»Der Pförtner hat Sie schon angemeldet. Bitte, kommen Sie herein.«
Schwester Angelika führte ihn ins Wartezimmer. »Wenn Sie hier einen Augenblick warten wollen. Wie ist Ihr Name?«
»Ich bin ein Freund von Harald Streiber. Sagen Sie ihm nur, der Chauffeur des Nachbarn sei da. Dann weiß er Bescheid. Wie geht es ihm denn?«
»Es geht ihm recht gut.« Schwester Angelika verließ das Wartezimmer, schloß die Tür und ging in Dietmar Bursonis Zimmer.
Chiron hatte gerade das Bett hereingebracht und stellte die Räder fest.
»Sie bekommen Besuch, Herr Streiber.«
Schwester Angelika half Chiron, das Bett herzurichten.
»Schwester Ariane?« Die Stimme des Patienten klang erfreut. »Ich hatte schon befürchtet, sie würde nicht kommen.«
»Es ist nicht Schwester Ariane.« Schwester Angelikas Stimme klang ein wenig gereizt. »Ein junger Mann ist da. Er sagt, er sei der Chauffeur des Nachbarn.«
»Ein Chauffeur?« Das hatte ihm noch gefehlt! Sicherlich ein Freund seines Pferdepflegers, der auch manchmal den Chauffeur für ihn abgab.
»Sagen Sie, ich kann ihn nicht empfangen. Ich fühle mich nicht wohl. Ich möchte keinen Besuch.«
Schwester Angelika blickte ihn überrascht an. Ihre Stimme überschlug sich fast: »Aber so schlimm steht es mit Ihnen doch nicht! Jetzt, wo die Kanüle draußen ist … Ich glaube, so ein Besuch würde Sie sogar etwas aufmuntern.«
Dietmar Bursoni hob entsetzt die Hand. »Ich möchte niemand sehen! Niemand – außer –«, seine Stimme zitterte ein wenig, »Schwester Ariane und«, fügte er hinzu, als er das erstaunte Gesicht Schwester Angelikas sah, »Sie natürlich! Wissen Sie«, fuhr er fort, »ein Geschwätz mit dem Chauffeur unseres Nachbarn würde mich nur aufregen. Es ist schon besser, wenn ich allein bleibe. Jedenfalls so lange, bis ich –«, er tastete nach seinem Gesicht und strich darüber, »wieder normal aussehe.«
Es klopfte an die Tür.
»Er wird doch nicht einfach ohne Erlaubnis zu mir hereinkommen!«
Schwester Angelika ging kopfschüttelnd zur Tür. Schwester Ariane stand auf der Schwelle.
»Ablösung!« Schwester Angelika ließ sie eintreten. »Herr Streiber hat schon auf Sie gewartet. Er möchte keinen anderen Besuch haben. Ich werde Ihrem Kumpel Bescheid sagen, daß er heute unerwünscht ist.«
Sie nickte dem Patienten zu und verließ das Zimmer.
Erwartungsvoll schaute ihr der Chauffeur des Nachbarn entgegen. »Kann ich jetzt zu ihm …«
Die alte Schwester schüttelte den Kopf. »Es ist gerade ein Eingriff bei ihm Vorgenommen worden –« , sie beschloß, die Wahrheit ein wenig zu korrigieren und zu übertreiben, »und da braucht er Ruhe. Sie möchten bitte später wiederkommen.«
»Schade!« Der junge Mann folgte Schwester Angelika auf den Flur hinaus. »Darf ich ihn nicht kurz sehen! Ich möchte ihm doch wenigstens guten Tag sagen! Nun bin ich schon den weiten Weg zum zweitenmal hergekommen …«
Schwester Angelika zögerte einen Augenblick. Sie überlegte, aber dann mußte sie an das Aussehen des Patienten denken, an sein unförmig aufgetriebenes Gesicht. »Das geht leider nicht! Im Krankenhaus herrschen nun einmal strenge Sitten. Schreiben Sie ihm doch einfach – oder«, sie überlegte, »rufen Sie ihn an. Dann können Sie wenigstens mit ihm sprechen. Aber sehen dürfen Sie ihn leider nicht. Er sieht durch den Unfall so mitgenommen aus, daß Sie nur erschrecken würden.«
»Schade!« Der Besucher folgte der Schwester zum Fahrstuhl. »Dann bestellen Sie ihm wenigstens einen schönen Gruß von mir, von Herbert Müller. Sagen Sie ihm, ich sei etwas enttäuscht, daß er mir nicht mitgeteilt hat, daß er zurückgekommen ist. Er war nämlich verreist und ich …«
Schwester Angelika schloß die Tür des Fahrstuhls, ohne ihm noch eine Antwort zu geben. Das Gerede des jungen Mannes fiel ihr auf die Nerven.
Sie ging zum Krankenzimmer zurück, klopfte an und öffnete die Tür. »Ich soll Ihnen von Ihrem Kumpel recht schöne Grüße bestellen. Er ist etwas enttäuscht, daß Sie ihm nicht mitgeteilt haben, daß Sie Ihren Urlaub früher beendet haben.«
»Das glaube ich wohl! Lassen Sie ihn nur nicht zu mir, wenn er wiederkommt.«
»Ist er ein so schrecklicher Kerl?« fragte Schwester Ariane ein wenig spöttisch.
»Ich weiß es nicht. Im übrigen –«, er hob grüßend seine Hand zu Schwester Angelika, die das Zimmer verließ, »darf ich ja wohl jetzt etwas aufstehen. Dr. Bruckner hat es mir
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