Die Nacht zum Dreizehnten
»Was hältst du davon, wenn wir hier einen Kaffee trinken?«
»Ich wollte gerade denselben Vorschlag machen. Ich habe mich schon gewundert, wie du es aushältst, so lange umherzulaufen. Deine Begegnungen mit dem Gestern scheinen dir wirklich unerhörte Kräfte zu verleihen!«
Sie setzten sich an einen der Tische, die unmittelbar an der Straße standen. Der Ober kam. Yvonne bestellte zwei Kaffee und hielt die Hand ihres Mannes fest. »Ich bin ja so froh, daß dir hier alles so gut gefällt, und daß du bisher keine Enttäuschung erlebt hast. Es scheint sich ja nicht viel verändert zu haben.«
»Es hat sich alles verändert, aber es ist alles anders schön! Ich will gar nicht mehr mit früher vergleichen.«
*
»Jetzt muß ich aber gehen!« Ariane war zur Tür gegangen und schaute auf die Uhr. »Ich bekomme sonst Ärger, wenn ich zu lange bei Ihnen bleibe.«
»Ich möchte Sie am liebsten als Privatschwester engagieren. Wie wäre das?«
Ariane Quenstadt lachte laut. »Sie wollen mich als Privatschwester engagieren?« Amüsiert ließ sie die Klinke los, die sie schon angefaßt hatte. »Haben Sie eine ungefähre Vorstellung, was das kostet?«
»Ich könnte es mir denken. Aber –«, er wurde ernst, »für Sie würde ich meinen letzten Pfennig opfern.«
»Das ist nicht nötig. Ich betreue Sie schon mehr, als ich jeden anderen Patienten hier betreue.«
Dietmar griff nach ihrer Hand. Sie wollte sie ihm entziehen, ließ sie ihm aber dann doch.
»Ich weiß nicht, was ich ohne Sie machen soll, wenn ich entlassen werde.«
»Sie werden sich schon viel eher ohne mich abfinden müssen. Ich bleibe nicht mehr lange hier.«
»Sie bleiben nicht mehr lange hier?« Erschrocken sah der Patient sie an. »Wie kommt das? Hat man Ihnen gekündigt?«
»Gekündigt nicht, aber …« Einen Augenblick lang kam ihr der Gedanke, dem Patienten jetzt reinen Wein einzuschenken und ihm zu sagen, daß sie gar keine Schwester, sondern eine Professorin der Medizin sei. Aber dann fürchtete sie, ihn zu erschrecken. Er war ein einfacher Pferdepfleger und wenn er erfuhr, daß sie gesellschaftlich weit über ihm stand, konnte es geschehen, daß er vollkommen eingeschüchtert wurde. Das wollte sie vermeiden.
»Ich werde eine andere Beschäftigung annehmen«, erklärte sie ihm. »Ich habe gemerkt, daß es nicht einfach ist, Krankenschwester zu sein.«
»Und das haben sie vorher nicht gewußt? Sind Sie denn noch nicht so lange im Beruf?«
»Nein – erst sehr kurze Zeit. Man merkt aber erst, wenn man selbst mitten drin steckt, was eine solche Tätigkeit bedeutet. Deswegen habe ich mich entschlossen, diese Arbeit aufzugeben.«
»Und was werden Sie dann machen?« Bursoni dachte nach. »Vielleicht kann ich Ihnen einen Job vermitteln? Ich möchte Sie nicht aus den Augen verlieren.«
»Glauben Sie denn, Ihr Chef hat eine Stelle frei?« Ariane ritt der Schalk. »Ich könnte vielleicht wirklich bei ihm arbeiten. Welche Stellung könnte er mir denn bieten? Ich bin ziemlich verwöhnt …«
»Jede Stellung, die Sie wünschen. Vielleicht sogar –«, er zögerte einen Augenblick, »als seine lebenslängliche Gesellschafterin? Ich kenne meinen Chef gut. Er ist ein charmanter Mann. Alle Frauen lieben ihn. Ich bin überzeugt, daß Sie gut zu ihm passen würden.«
»Sie wollen mich doch nicht etwa verkuppeln?« Ariane machte einenSchritt zurück . Sie wurde aus dem Gerede des Mannes nicht mehr ganz klug. »Haben Sie etwa den Auftrag, eine Frau für ihn zu suchen?«
»Ich würde es sofort tun! Aber –«, er griff wieder nach ihrer Hand, »ich möchte zunächst einmal eine Frau für mich selbst suchen. Was halten Sie davon?« Er ließ ihre Hand los. »Sie sollten mal sehen, wie gut ich aussehe, wenn diese Schwellung nicht mehr da ist.«
»Haben Sie kein Bild von sich? Irgendeine Fotografie, auf der man sehen kann, wie Sie in Wirklichkeit aussehen?«
»Leider nicht. Sie wissen ja, daß ich in meinem Arbeitsdreß eingeliefert worden bin. Ich hatte noch keine Gelegenheit, nach Hause zu gehen und mir Dinge holen, die ich brauche. Sobald ich entlassen werde, bekommen Sie ein Bild mit Autogramm von mir!«
Ariane lachte. »Dann brauche ich es auch nicht mehr!« Und als er sie fragend anschaute, erklärte sie lachend: »Dann ist Ihr Gesicht ja wieder abgeschwollen, und ich kann mich selbst davon überzeugen, ob Sie wirklich so gut aussehen, wie Sie es von sich glauben.«
Sie stellte sich neben ihn vor den Spiegel. »Sie fangen schon an, ganz manierlich
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