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Die Nacht zum Dreizehnten

Die Nacht zum Dreizehnten

Titel: Die Nacht zum Dreizehnten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dr. Thomas Bruckner
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er.
    »Ich denke, der Oberarzt heißt Wagner?«
    »Das ist unser Erster Oberarzt, der ist nicht so nett wie unser Dr. Bruckner, der nur zweiter Oberarzt ist.« Er winkte Dr. Bruckner aufgeregt zu, der stehengeblieben war, und deutete auf die Dame.
    Dr. Bruckner kam kopfschüttelnd heran. »Wo brennt es denn?«
    »Das ist die neue Schwester …« Der alte Pförtner legte väterlich seinen Arm um die Schultern der Dame. »Schwester Euphrosine hat schon angerufen. Sie wartet dringend auf Sie.« Der alte Mann schmunzelte. »Mit der ist nicht gut Kirschen essen!«
    »Machen Sie unsere neue Schwester nicht gleich kopfscheu. Schwester Euphrosine ist gar nicht so schlimm. Es läßt sich gut unter ihr arbeiten. Kommen Sie, ich bringe Sie hin.«
    Professor Dr. Ariane Quenstadt wußte nicht, wie ihr geschah. Sie schluckte ein paarmal und wollte erklären, daß es sich hier um einen Irrtum handele: Sie sei keine Schwester, sondern die Chefvertretung, die erwartet würde …
    Oberarzt Dr. Bruckner war schon ein paar Schritte vorangegangen. Er drehte sich zu ihr um, die noch immer beim Pförtner stand, und winkte: »Hier geht es lang!« Er hielt die Tür auf und wartete, bis die Besucherin das Innere der Klinik betreten hatte.
    »Sie sind verdammt hübsch«, bemerkte er.
    »Bin ich das?« Ariane lachte. Sie fand den Arzt, der jetzt neben ihr über den Korridor ging, auch sehr sympathisch. Er hatte ein offenes Gesicht und eine ungezwungene Art, sich zu geben. Warum sollte sie das Spiel nicht noch ein wenig weiterspielen und sich für eine Schwester halten lassen? Vielleicht war es ganz interessant, die Kollegen von dieser Warte aus kennenzulernen. Sie gaben sich sicherlich ganz anders, als wenn sie wußten, daß sie nicht nur den Professorentitel trug, sondern sogar die Tochter des alten Quenstadt war.
    »Wie heißen Sie?« Dr. Bruckner war vor dem Fahrstuhl stehengeblieben. Er drückte den Knopf, der ihn herunterholte, und öffnete die Tür, als der Fahrstuhlkorb hielt.
    Professor Quenstadt überlegte einen Augenblick. »Schwester Ariane«, gab sie schließlich zurück.
    »Schwester Ariane!« wiederholte Thomas Bruckner. »Dann hat Ihr Vater Sie sicherlich nach der berühmten Romanfigur von Claude Anet genannt. Der Film mit Elisabeth Bergner: ›Ariane, ein russisches Mädchen‹, war damals sehr berühmt.«
    Der Fahrstuhl hielt. »Operationsabteilung! Haben Sie schon einmal in einem OP gearbeitet?«
    Ariane schaute Dr. Bruckner mit einem derartig unergründlichen Ausdruck an, daß es ihm heiß über den Rücken lief. »Ja, das habe ich schon einmal getan.«
    Nun hatte ›Schwester Ariane‹ Mühe, ein Lachen zu unterdrücken. Fast tat ihr Dr. Bruckner leid, daß sie ihn so hinters Licht führte. Am liebsten hätte sie ihn sofort aufgeklärt, daß sie immerhin eine der bekanntesten Unfallchirurgen war, die es gab, daß sie eigentlich ihre sämtlichen Arbeitstage in einem OP zubrachte. Aber dann zog sie es doch vor, das Spiel noch ein bißchen weiterzutreiben und schwieg.
    »Dann wissen Sie ja wenigstens, wie Sie sich umziehen müssen, wenn Sie einen sterilen OP betreten. Kommen Sie – ich mache Sie mit Schwester Euphrosine bekannt, die ja schon auf Sie wartet.« Er hob lächelnd seinen Finger. »Und lassen Sie sich von der Kratzbürstigkeit der alten Schwester nicht Angst machen. Sie meint es nicht so. Sie hat ein Herz von Gold.«
    *
    Die besagte Schwester mit dem goldenen Herzen stand seufzend mitten im OP und schaute sich um. Sie war mal wieder ganz allein. Die Schwester, die ihr zur Hilfe zugeteilt war, hatte Mittagspause. »Auf die jungen Mädchen ist kein Verlaß mehr«, schimpfte sie vor sich hin, als sie nach einem Schrubber griff, um den Boden des OP zu putzen. »Früher hätte niemand von uns gewagt, die Mittagspause pünktlich zu nehmen, wenn noch soviel Arbeit vorliegt. Heute wollen sie alle Überstunden bezahlt haben …« Sie erschrak, als sie ein Geräusch an der Tür hörte, und hustete laut, ihr Selbstgespräch beendend.
    Die Tür öffnete sich, und Dr. Bruckner trat ein. »Ich kann Ihnen einmal ausnahmsweise etwas Gutes verkünden!« Er deutete auf die Dame, die ihm in den OP gefolgt war. »Schwester Ariane – sie ist gerade gekommen. Ich habe sie Ihnen gleich heraufgebracht.«
    Schwester Euphrosine lehnte den Schrubber gegen die Wand. Sie stemmte beide Arme in die Hüften und schaute ostentativ die große Uhr über dem Eingang an. »Warum erscheinen Sie erst jetzt? Ich hatte Sie schon heute vormittag

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