Die Nachtmahr Wunschträume
habe.«
Er schwieg und erst nach einer gefühlten Ewigkeit fand ich die Kraft den Kopf zu heben. Der Schock war so groß, dass er sogar meinen Kummer übertönte. Klaus saß neben mir und wurde von stummen Tränen geschüttelt.
»Was?«
Klaus schüttelte den Kopf.
»Was?« Ich brüllte beinahe. Scheiß was auf seine Gefühle. Ich hatte eine vollständige Erklärung verdient.
»Ja ... das hast du.« Offenbar hatte ich den letzten Gedanken wieder laut gesprochen. Eine fürchterliche Charaktereigenschaft.
Klaus zögerte einen Augenblick und wirkte, als würde ich ihn zwingen, von einer wirklich hohen Klippe in unbekannte Tiefen zu springen. Dann schloss er die Augen und mich aus seinem Gefühlsleben aus, bevor er sagte: »Meine Frau.«
Seine Lider öffneten sich wieder und sein Blick fand den meinen. Der Schmerz, den ich in seinen Augen las, war so frisch, als wäre es erst gestern geschehen. »Sie war auch dort.«
Ich schluckte und rang um Fassung. Doch der fürchterliche Verdacht blieb.
»Ich weiß nicht warum, aber sie hatte mich angerufen, wollte unbedingt zu deiner Mutter und mit ihr reden ...« Klaus starrte auf seine Hände, die sich hilflos umklammerten, als seien sie Wesen mit einem eigenen Willen. »... als ich angekommen bin, war es zu spät. Es hat gebrannt. Sie waren tot und verbrannt und ...« Seine Stimme versagte.
Erst als mir klar wurde, dass er nicht weiter sprechen würde, erkundigte ich mich so behutsam wie eben möglich: »Was ist passiert?«
»Ich weiß es nicht.«
Er sah mich nicht an. Trotzdem glaubte ich ihm. Er mochte annehmen, dass es die Nachtmahre gewesen waren, aber er wusste es nicht. Nicht wirklich. Und anscheinend waren auch nicht die Tagmahre für den Brand – oder waren es Morde? – verantwortlich. Zumindest nicht offiziell. Was Rektor, aka Tagmahr-König, Simons inoffiziell gemacht haben mochte, stand wie immer auf einem anderen Blatt.
Aber wer, oder was, immer es gewesen war, es hatte einen entscheidenden Fehler begangen: Ich war noch am Leben. Was mich zur nächsten Frage führte. »Hast du ...«, weiter kam ich nicht. Dieses Mal versagte mir die Stimme.
»Ja, habe ich ...«, bestätigte Klaus trotzdem. Anscheinend war ein guter Teil meiner Gedankengänge recht einfach zu verfolgen.
Wir sahen uns an, ein stiller Moment der Verbundenheit zwischen uns. Die Wärme in seinem Blick tat beinahe körperlich weh. Ohne ihn würde ich nicht mehr leben. Auch wenn ich das Gefühl hatte, dass er immer noch etwas verschwieg – oder nicht alle Informationen preisgab – er hatte mir das Leben gerettet. Damit war noch lange nicht alles gut oder erklärt, aber es war besser. Ein Anfang und ein Grundstein, auf den ich aufbauen konnte. Wenigstens ein kleines bisschen.
Plötzlich hatte ich einen Kloß in meinem Hals und die Narben an meinem linken Arm und der Schulter schmerzten, wie frisch eingebrannt. Ich lebte, seine Frau starb. Mich hatte er retten können, sie nicht. Ein kleines Puzzleteil, aber auf so vielen Ebenen gab auf einmal alles einen Sinn. So sehr, dass ich das Schicksal stumm verfluchte. Als ich es als Arschloch abgestempelt hatte, war mir gar nicht bewusst gewesen, wie recht ich gehabt hatte.
»Es tut mir leid«, meinte ich und meinte es mindestens auf ebensovielen Ebenen.
Klaus sah fort, auf seine Hände. Sie waren immer noch ineinander verkrampft. Ich legte meine Rechte auf sie, doch er reagierte nicht auf die tröstende Berührung.
»Warum hast du es mir nicht eher erzählt?«, erkundigte ich mich vorsichtig.
»Was hätte es geändert?« Das Zittern in seiner Stimme rührte mich. Bislang hatte ich ihn noch nie emotional erlebt. Er war immer Klaus gewesen. Unerschütterlich, ruhig, alles überschauend und in Kontrolle. Selbst seine Wut und seine Kämpfe mit Meg hatten immer irgendwie geplant gewirkt.
»Für mich alles, weil ich es verstanden hätte. Dich verstanden hätte.« War das wirklich so schwer zu verstehen? Offensichtlich, denn er sah auf und wirkte überrascht. Daran änderte sich auch nichts, als ich hinzufügte: »Ich werde über das Verzeihen nachdenken.«
Sekunden später schloss sich seine Rechte um meine Hand. Die mit den Brandnarben.
Mit einem Lächeln im Gesicht registrierte ich, dass ich weinte. Genau wie er. Hand in Hand und aneinandergelehnt, wie in einer Freakshow. Die Situation und die Gefühle, die durch mich tobten, waren so gemischt, dass ich lachen musste. Es fühlte sich gut an, befreiend. Wie eine Katharsis.
»Verdammt, das kostet
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