Die Nachtwächter
Unterdrückern!«
Wieder zankten raunende Stimmen, diesmal noch hingebungsvoller. Jemand sagte »Oh, meinetwegen«, und dann: »Tod den faschistischen Unterdrückern, Anwesende ausgeklammert! So, sind jetzt alle
zufrieden
!«
Mumm erkannte die Stimme. »Herr Reginald Schuh?«, fragte er.
»Ich bedauere, dass ich nur ein Leben für den Fischbeinweg opfern kann!« Die Stimme kam von irgendwo hinter einem Kleiderschrank.
Wenn du wüsstest, dachte Mumm.
»Ich glaube, das wird nicht nötig sein«, sagte er. »Ich
bitte
euch, meine Damen und Herren. Führt man sich so auf? Ihr könnt… das Gesetz… nicht in die eigenen Hände…« Er brach ab.
Manchmal braucht das Gehirn eine Weile, um zum Mund aufzuschließen. Mumm drehte sich um und sah zur Truppe – er hatte sie nicht extra auffordern müssen, hinter ihm zurückzubleiben. Dann sah er erneut zur Barrikade.
Wo
war
das Gesetz eigentlich? Derzeit?
Was
machte
er hier?
Es gab natürlich die Aufgabe, die er direkt vor sich sah. Er war ihr nie aus dem Weg gegangen. Und das Gesetz war immer…
dort draußen
gewesen, aber nicht weit entfernt. Er war immer sehr sicher gewesen, wo es sich befand, und es hatte eindeutig etwas mit der Dienstmarke zu tun.
Die Dienstmarke war wichtig. Ihre Form entsprach dem eines Schilds. Er hatte darüber nachgedacht, während langer Nächte in der Dunkelheit. Sie beschützte ihn vor dem Tier, denn das Tier wartete in der Finsternis im Innern seines Kopfes.
Er hatte Werwölfe mit bloßen Händen getötet. Zu dem Zeitpunkt war er vor Entsetzen geradezu wahnsinnig gewesen, aber das Tier hatte ihm Gesellschaft geleistet und ihm Kraft gegeben…
Wer wusste, welche Verderbtheit in den Herzen von Menschen lauerte? Ein Polizist. Nach zehn Jahren glaubte man, alles gesehen zu haben, doch die Schatten tischten einem immer mehr auf. Man sah, wie nah die Menschen beim Tier lebten. Man begriff, dass Leute wie Carcer nicht verrückt waren, sondern unglaublich gesund. Es waren schlicht Menschen ohne einen Schild. Sie hatten sich die Welt angesehen und erkannt, dass sie sich nicht an die Regeln halten mussten, wenn sie nicht wollten. Sie ließen sich von den vielen kleinen Geschichten nicht zum Narren halten. Sie schüttelten dem Tier die Hand.
Aber er, Sam Mumm, hatte sich an der Dienstmarke festgehalten und, als das nicht mehr genügte, nach der Flasche gegriffen…
Er fühlte sich, als hätte er die Flasche erneut in der Hand. Die Welt drehte sich um ihn herum. Wo
war
das Gesetz? Die Barrikade vor ihm… Wen schützte sie vor was? Ein Irrer und seine zwielichtigen Gesellen herrschten über die Stadt, und
wo war das Gesetz
?
Polizisten sagten gern, dass die Leute das Gesetz nicht in die eigenen Hände nehmen sollten, und sie glaubten zu wissen, was sie damit meinten. Aber sie dachten an friedliche Zeiten und an Männer, die den Nachbarn mit einem Knüppel zur Schnecke machen wollten, weil sein Hund einmal zu oft sein großes Geschäft vor der falschen Haustür erledigt hatte. Aber wem gehörte das Gesetz in Zeiten wie
diesen
? Wenn es nicht in den Händen der Leute sein sollte, wo dann? In den Händen von Leuten, die es besser wussten? Dann bekam man Winder und seine Kumpel, und welchen Sinn hatte das?
Was sollte als Nächstes geschehen? O ja, er hatte eine Dienstmarke, aber es war nicht
seine,
nicht in dem Sinne… Und er hatte Befehle bekommen, die falschen… Und er hatte Feinde, aus den falschen Gründen… Und vielleicht gab es keine
Zukunft.
Sie existierte nicht mehr. Es gab nichts Reales, keinen festen Punkt, auf dem er stehen konnte. Es gab nur Sam Mumm dort, wo er eigentlich gar nicht sein sollte…
Sein Körper schien so viel Kraft wie möglich zum Entwirren der sich überschlagenden Gedanken einsetzen zu wollen und musste dazu Ressourcen von anderen Bereichen abziehen. Es wurde dunkel vor Mumms Augen. Ihm zitterten die Knie.
Es gab nur noch bestürzte Verzweiflung.
Und viele Explosionen.
Havelock Vetinari klopfte höflich ans Fenster des kleinen Büros neben dem Haupteingang der Assassinengilde.
Der Dienst habende Pförtner öffnete die Klappe.
»Ich melde mich ab, Herr Kastanie«, sagte der Assassine.
»Jaherr«, sagte Kastanie und zog ein dickes Buch zu sich heran. »Und wohin gehen wir heute, Herr?«
»Allgemeines Auskundschaften, Herr Kastanie. Ich sehe mich nur ein wenig um.«
»Ah, gestern Abend habe ich zu Frau Kastanie gesagt, Herr, dass du es ausgezeichnet verstehst, dich umzusehen«, sagte Kastanie.
»Wir
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