Die Nachtwächter
meutern.«
»Das Kriegsrecht ist ausgerufen, Oberfeldwebel!«, erwiderte Rust scharf. »Ganz
offiziell
!«
»Tatsächlich?«, fragte Mumm, als es erneut Steine und altes Gemüse regnete. »Die Schilde hoch, Jungs.«
Rust wandte sich an Fred Colon. »Korporal, du wirst diesen Mann unter Arrest stellen!«
Colon schluckte. »Ich?«
»Ja, Korporal.
Jetzt
.«
Weiße Flecken bildeten sich auf Colons rosarotem Gesicht, als das Blut daraus entwich. »Aber er…«, begann er.
»Du willst nicht gehorchen? Dann muss ich das wohl selbst erledigen.« Der Hauptmann zog sein Schwert.
Mumm vernahm ein leises Klicken, als eine Armbrust entsichert wurde. Er stöhnte innerlich und erinnerte sich nicht daran, dass
dies
geschehen war.
»Bitte leg das Schwert weg, Herr«, sagte Gefreiter Mumm.
»Du wirst nicht auf mich schießen, du junger Narr«, entgegnete der Hauptmann ruhig. »Das wäre Mord.«
»Nicht dort, wohin ich ziele, Herr.«
Meine
Güte,
dachte Mumm. Vielleicht
war
der Junge einfältig. Denn eins konnte man von Rust gewiss nicht behaupten: dass er feige war. Er verwechselte dumme Sturheit mit Mut und wäre auch vor zehn bewaffneten Männern nicht zurückgewichen.
»Ah, ich glaube, ich weiß, wo das Problem liegt, Hauptmann«, sagte Mumm fröhlich. »Schon gut, Gefreiter. Es gibt hier ein kleines Missverständnis, Herr, aber es sollte sich leicht aus der Welt schaffen lassen…«
Es war ein Schlag, an den er sich lange Zeit erinnern würde. Ein Musterbeispiel für den perfekten Hieb, und er fühlte sich einfach herrlich an. Rust fiel wie ein gefällter Baum.
Im Licht aller Brücken, die hinter ihm in Flammen aufgingen, schob Mumm die Hand in die Hosentasche. Er bedankte sich bei Frau Gutleib und ihren kleinen Spezialitäten. Dann wandte er sich den Männern zu, die wie erstarrt dastanden und entsetzt schwiegen.
»Dafür übernimmt Oberfeldwebel John Keel die volle Verantwortung«, sagte er. »Mumm, ich habe dir doch gesagt, dass du nur dann mit einer Waffe drohen sollst, wenn du auch bereit bist, davon Gebrauch zu machen.«
»Du hast ihn niedergeschlagen!«, quiekte Sam und starrte noch immer auf den bewusstlosen Hauptmann hinab.
Mumm schüttelte das Leben in seine Hand zurück. »Hiermit übernehme ich das Kommando nach dem plötzlichen Anfall von Wahnsinn des Hauptmanns«, sagte er. »Keule, Wiggel… Bitte bringt ihn zum Wachhaus zurück und sperrt ihn ein.«
»Was
machen
wir jetzt, Oberfeldwebel?«, fragte Colon.
Den Frieden wahren. Darum ging es. Oft verstanden die Leute nicht, was das bedeutete. Man war mit einer lebensgefährlichen Situation konfrontiert, wie zum Beispiel dem Streit von zwei Nachbarn, die sich nicht einigen konnten, wem die Hecke zwischen ihren Grundstücken gehörte, und beide platzten geradezu vor Selbstgerechtigkeit und schrien sich an, während ihre Frauen entweder auf einen eigenen kleinen Streit am Rande konzentriert waren oder sich in die Küche zurückgezogen hatten, um dort Tee zu trinken, und alle erwarteten von einem, dass man das
Problem
salomonisch löste.
Und sie begriffen einfach nicht, dass so etwas nicht zu den Aufgaben eines Polizisten gehörte. Um solch ein Problem zu lösen, brauchte man einen guten Geometer und vielleicht zwei Anwälte. Der Job des Polizisten bestand darin, der Versuchung zu widerstehen, die Köpfe der beiden dämlichen Streithähne gegeneinander zu schlagen, die Flüche und Beschimpfungen zu überhören und sie von der Straße zu bringen. Sobald man das geschafft hatte, war die Aufgabe erledigt. Ein Polizist war kein Streife gehender Gott, der ausgewogene natürliche Gerechtigkeit verteilte. Ein Polizist sorgte nur dafür, dass es wieder friedlich zuging.
Wenn einige strenge Worte nicht genügten und wenn Herr Weiß anschließend über den umstrittenen Zaun kletterte und Herrn Schwarz mit einer Gartenschere erstach – dann bekam man eine andere Aufgabe: den Heckenstreit-Mord aufzuklären. Aber dazu war man wenigstens ausgebildet.
Die Leute erwarteten die verschiedensten Dinge von Polizisten, doch es gab eine Sache, die sie sich früher oder später alle wünschten: Lass dies nicht geschehen!
Lass dies nicht geschehen…
»Was?«, fragte Mumm und bemerkte schließlich eine Stimme, die schon seit einer ganzen Weile versuchte, seine Aufmerksamkeit zu erregen.
»Ist er wirklich wahnsinnig, Oberfeldwebel?«
Wenn man von der steilen Felswand stürzt, ist es zu spät für die Frage, ob es einen besseren Weg zum Gipfel gegeben hätte…
»Er
Weitere Kostenlose Bücher