Die Nachtwächter
unrasiert, das Haar zerzaust, schmutzig. Und vermutlich ging bereits ein übler Geruch von ihm aus. Er beschloss, dem Mann nicht noch mehr aufzubürden.
»Möchtet ihr uns beim Bau der Barrikade helfen?«, fragte er.
»Oh, ja, vielen Dank…«, begann Rudolf, doch seine Frau kam ihm erneut zuvor.
»Einige dieser Möbelstücke sehen sehr schmutzig aus«, sagte Frau Rudolf. »Und sind das etwa Bierfässer?«
»Ja, gnä’ Frau, aber sie sind leer«, erwiderte Mumm.
»Bist du
sicher
? Ich weigere mich, hinter Alkohol in Deckung zu gehen! Ich habe nie etwas von Alkohol gehalten, und das gilt auch für Rudolf!«
»Ich versichere dir, gnä’ Frau: Jedes Bierfass, das eine gewisse Zeit in der Nähe meiner Männer verbringt, ist leer«, sagte Mumm. »Das garantiere ich.«
»Und sind deine Männer nüchtern und anständig?«, fragte die Frau.
»Solange sich keine Alternative anbietet, gnä’ Frau«, sagte Mumm. Das schien akzeptabel zu sein. In dieser Hinsicht war Frau Rudolf wie Rust: Sie hörte den Tonfall, nicht die Worte.
»Ich glaube, es wäre vielleicht eine gute Idee, Schatz, wenn wir uns beeilen und…«
»Nicht ohne Vater!«, verkündete Frau Rudolf.
»Kein Problem, gnä’ Frau«, sagte Mumm. »Wo ist er?«
»Auf unserer Barrikade, natürlich! Die, und das möchte ich betonen, viel besser ist als diese.«
»Wie du meinst, gnä’ Frau«, sagte Mumm. »Wenn dein Vater hierher kommen möchte…«
»Äh, du verstehst nicht ganz«, murmelte Rudolf. »Er ist, äh,
auf
der Barrikade…«
Mumm blickte zu der anderen Barrikade, blinzelte und sah genauer hin. Ganz oben auf dem Wall aus aufeinander gestapelten Möbelstücken stand ein üppig gepolsterter Lehnsessel. Eine genauere Untersuchung ergab, dass ein Alter darin saß und schlief. Er trug Pantoffeln.
»Er hängt sehr an seinem Sessel«, seufzte Rudolf.
»Er wird ein
Erbstück
sein«, sagte Frau Rudolf. »Bitte schick deine jungen Männer, um unsere Möbel zu holen. Und sie sollen vorsichtig damit umgehen. Stellt sie irgendwo hinten auf, wo niemand auf sie schießt.«
Mumm nickte Sam und zwei anderen zu, als Frau Rudolf über die Barrikade kletterte und zum Wachhaus schritt.
»Wird es zu einem Kampf kommen?«, fragte Rudolf besorgt.
»Das ist möglich, Herr.«
»Ich fürchte, ich bin kein guter Kämpfer.«
»Mach dir darüber keine Sorgen, Herr.« Mumm half dem Mann über die Barrikade und wandte sich dann den anderen zu. Er hatte sich von einem Blick durchbohrt gefühlt, und jetzt verfolgte er ihn zum Ausgangspunkt zurück, zu einem jungen Mann mit schwarzer Hose, einem Rüschenhemd und langem, krausem Haar.
»Dies ist ein Trick, nicht wahr?«, fragte der junge Mann. »Du bringst uns in deine Gewalt, und dann sieht man uns nie wieder.«
»Dann bleib mir fern, Reg!«, sagte Mumm. Einmal mehr wölbte er die Hände trichterförmig am Mund und wandte sich der Barrikade im Fischbeinweg zu. »Wer sich uns anschließen möchte, sollte sich besser beeilen!«, rief er.
»Du weißt nicht, ob ich so heiße!«, sagte Reg Schuh.
Mumm blickte in die vorstehenden Augen. Der einzige Unterschied zwischen dem heutigen Reg und jenem, den er in der Zukunft zurückgelassen hatte, bestand darin, dass Obergefreiter Schuh grauer war und an einigen Stellen von Nähten zusammengehalten wurde. Reg hatte sich schnell daran gewöhnt, ein Zombie zu sein. Er war gewissermaßen dazu
geboren,
tot zu sein. Er glaubte so intensiv an Dinge, dass ihn eine innere Feder in Gang hielt. Er gab einen guten Polizisten ab, aber keinen guten Revolutionär. Personen, die so akribische Eiferer waren wie Reg, beunruhigten echte Revolutionäre. Es lag an seinem Starren.
»Du bist Reg Schuh«, sagte Mumm. »Du wohnst im Fischbeinweg.«
»Aha, ihr habt geheime Akten über mich, wie?«, fragte Reg mit schrecklicher Zufriedenheit.
»Nein, eigentlich nicht. Bitte sei jetzt so gut und…«
»Ich wette, es ist eine besonders große Akte, einen halben Meter dick«, sagte Reg.
»Nicht einen ganzen halben Meter, nein«, entgegnete Mumm. »Hör mal, Reg, wir…«
»Ich verlange Einblick!«
Mumm seufzte. »Wir haben keine Akte über dich, Reg. Wir haben über
niemanden
eine Akte. Viele von uns können nicht lesen, ohne den Finger zur Hilfe zu nehmen. Wir sind nicht an dir
interessiert,
Reg.«
Reg Schuhs starrer Blick blieb auf Mumm gerichtet, und sein Gehirn wies die gerade erhaltenen Informationen zurück, weil sie sich nicht mit den Vorstellungen vereinbaren ließen, die Reg für Realität
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