Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Nachtwächter

Die Nachtwächter

Titel: Die Nachtwächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
Vom Netzwerk:
erwähnt, dass es Befehle zu befolgen gilt, nicht einmal meine. Du bist ein Polizist, der dem Gesetz gehorcht, kein Soldat der Regierung.«
    Ein oder zwei Männer blickten sehnsüchtig zum anderen Ende der Straße, das leer war und verlockend wirkte.
    »Wer gehen möchte… Ich werde niemanden daran hindern«, sagte Mumm.
    Die sehnsüchtigen Blicke erstarben.
    »Hallo, Herr Keel«, ertönte eine klebrige Stimme hinter Mumm.
    »Ja, Nobby?«, fragte er, ohne sich umzudrehen.
    »Woher wusstest du, dass ich es bin, Oberfeldwebel?«
    »Es ist ein erstaunliches Talent, Junge«, sagte Mumm und drehte den Kopf, um entgegen aller Weisheit auf den Bengel hinabzusehen. »Was geschieht?«
    »Großer Aufruhr auf dem Hiergibt’salles-Platz, Oberfeldwebel. Und es heißt, Leute seien in das Wachhaus bei den Tollen Schwestern eingedrungen und hätten den Leutnant aus dem Fenster geworfen. Und überall wird geplündert, heißt es, und die Tagwache ist beauftragt, Leute festzunehmen, aber die meisten Leute von der Tagwache verstecken sich, weil…«
    »Ich verstehe«, seufzte Mumm. Carcer hatte Recht. Polizisten waren immer in der Minderzahl und konnten nur dann Polizisten
sein,
wenn es die Bürger zuließen. Wenn den Leuten plötzlich klar wurde, dass Polizisten nur ganz normale Narren mit einem wertlosen Stück Metall als Dienstmarke waren, riskierten die Uniformierten, als Fleck auf dem Pflaster zu enden.
    Mumm hörte Geschrei in der Ferne.
    Er richtete den Blick wieder auf die zögernden Wächter. »Andererseits, meine Herren…«, sagte er. »Wenn ihr gehen wollt – was wollt ihr dann
machen

    Der gleiche Gedanke ging auch Colon und den anderen durch den Kopf.
    »Wir besorgen die Karren«, sagte er und eilte fort.
    »Und ich möchte einen Cent«, sagte Nobby und streckte eine schmutzige Hand aus. Zur großen Überraschung des Jungen gab Mumm ihm einen Dollar und sagte: »Halt mich weiterhin auf dem Laufenden!«
    Es wurden bereits Tische und Sitzbänke aus dem Wachhaus geholt, und nach einigen Minuten erschien Keule mit einem Karren, auf dem leere Fässer standen. In diesen Straßen war es leicht, Barrikaden zu errichten. Das Problem hatte immer darin bestanden, sie freizuhalten.
    Die Wächter machten sich an die Arbeit. Dies war etwas, das sie verstanden. So etwas hatten sie als Kinder getan. Und vielleicht dachten sie: He, diesmal tragen wir Uniformen, es kann also nichts Unrechtes sein.
    Während Mumm versuchte, eine Sitzbank in der wachsenden Barrikade zu verkeilen, spürte er die Anwesenheit von Personen hinter sich. Er setzte seine Bemühungen fort, bis jemand hüstelte. Daraufhin drehte er sich um.
    »Ja? Kann ich euch helfen?«
    Eine kleine Gruppe hatte sich eingefunden, und Mumm erkannte: Furcht hatte diese Leute zueinander geführt, denn unter normalen Umständen hätten sie kaum etwas miteinander zu tun haben wollen.
    Der Sprecher – beziehungsweise die Person ganz vorn – sah fast genauso aus wie der Mann, den sich Mumm beim Gedanken an den Heckenstreit-Mord vorgestellt hatte.
    »Äh, Wächter…«
    »Ja, Herr?«
    »Was, äh, machst du da?«
    »Ich bewahre den Frieden, Herr. Mit dieser Sitzbank, Herr.«
    »Du hast von, äh, Aufruhr und Soldaten gesprochen, die hierher kommen…«
    »Das ist sehr wahrscheinlich, Herr.«
    »Du brauchst ihn nicht zu
fragen,
Rudolf, es ist seine
Pflicht,
uns zu beschützen«, erklang die scharfe Stimme der Frau, die neben dem Mann stand und wie seine Besitzerin wirkte. Mumm änderte seine Meinung über den Mann. Er hatte den verstohlenen Blick des schüchternen häuslichen Giftmörders. Ein solcher Mann wäre entsetzt gewesen von der Vorstellung einer Scheidung, was ihn jedoch nicht daran hinderte, jeden Tag einen Frauenmord zu planen. Und man konnte sehen, warum.
    Mumm bedachte die Frau mit einem freundlichen Lächeln. Sie hielt eine blaue Vase in den Händen. »Kann ich dir helfen, gnä’ Frau?«, fragte er.
    »Wie willst du verhindern, dass man uns in unseren Betten ermordet?«, fragte die Frau.
    »Es ist kurz vor vier Uhr nachmittags, gnä’ Frau, aber falls du früh zu Bett gehen möchtest und mir rechtzeitig Bescheid gibst…«
    Die Frau richtete sich auf, und Mumm war beeindruckt. Nicht einmal Sybil im vollen Herzoginnenmodus und mit dem Blut von zwanzig Generationen arroganter Ahnen in sich hätte es mit dieser Frau aufnehmen können.
    »Willst du das einfach so hinnehmen, Rudolf? So
tu
doch was!«, ordnete die Frau an.
    Rudolf blickte zu Mumm auf, der sich selbst sah:

Weitere Kostenlose Bücher