Die Nachtwächter
hielt.
»Es hat keinen Sinn, mich zu foltern, denn ich werde keine Einzelheiten über die Genossen in den anderen revolutionären Zellen verraten!«, sagte Reg.
»Na schön, dann verzichten wir auf die Folter. Wenn du jetzt bitte…«
»So sind wir organisiert, verstehst du? Die Kader wissen nichts voneinander!«
»Na so was. Wissen sie von dir?«, fragte Mumm.
Ein kurzer Schatten fiel auf Regs Gesicht. »Wie bitte?«
»Du hast gesagt, dass du nichts von den anderen weißt«, meinte Mumm. »Woraus sich die Frage ergibt: Wissen die anderen von dir?« Er wollte hinzufügen: Deine revolutionäre Zelle besteht aus einer Person, Reg, aus dir selbst. Die wahren Revolutionäre sind stille Männer mit den Augen von Pokerspielern, und ihnen dürfte es völlig gleich sein, ob du existierst oder nicht. Du hast das Hemd und das Haar und die Schärpe, und du kennst alle Lieder, aber du bist kein Stadtguerillero, sondern ein Träumer. Du stößt Mülltonnen um und beschmierst die Mauern im Namen »des Volkes«, von dem du eins hinter die Ohren bekämst, wenn es dich dabei erwischen würde. Aber du
glaubst.
»Ah, du bist also ein Geheimagent«, sagte er, um dem jungen Mann aus der Patsche zu helfen.
Regs Gesicht erhellte sich. »Ja, genau!«, erwiderte er. »Das Volk ist das Meer, in dem die Revolution schwimmt!«
»Wie Schwertfische?«, fragte Mumm.
»Wie bitte?«
Und du bist eine Flunder, dachte Mumm.
Ned
ist ein Revolutionär. Er versteht zu kämpfen, und er kann denken, wenn auch verkehrt. Aber du solltest besser nach Hause gehen, Reg…
»Ich sehe deutlich, dass du eine gefährliche Person bist«, sagte er. »Bleib hier, damit ich dich im Auge behalten kann. He, hier kannst du den Feind unterminieren.«
Der erleichterte Reg hob die Faust zum Gruß und trug mit revolutionärer Geschwindigkeit den Tisch zur Barrikade. Hinter der alten Barrikade, aus der inzwischen Frau Rudolfs Möbel entfernt wurden, wurden einige hastige Gespräche geführt. Das Pochen von Hufen am Ende der Sirupminenstraße unterbrach sie und erfüllte die Zögernden mit jäher Entschlossenheit.
Die Leute verließen ihren Platz hinter der alten und eilten zur neuen,
offiziellen
Barrikade. Gefreiter Mumm bildete die Nachhut – ein Esszimmerstuhl behinderte ihn.
»Pass auf damit!«, rief eine Frau irgendwo hinter Mumm. »Er gehört zu einer Garnitur!«
Mumm legte dem jungen Mann die Hand auf die Schulter. »Bitte gib mir deine Armbrust.«
Die Reiter näherten sich.
Sam Mumm hielt nichts von Pferden. Es behagte ihm nicht, zu jemandem aufzusehen, der sich zweieinhalb Meter über der Straße befand. Er verabscheute das Gefühl, von Nüstern angestarrt zu werden. Er mochte es nicht, wenn jemand von oben herab zu ihm sprach.
Als die Reiter die Barrikade erreichten, war Mumm zu ihrer vorderen Seite geklettert und stand mitten auf der Straße.
Die Neuankömmlinge wurden langsamer. Das lag vermutlich daran, dass Mumm ganz ruhig dastand und die Armbrust so lässig hielt wie jemand, der genau weiß, wie man damit umgeht, derzeit aber darauf verzichtet, dies zu zeigen.
»Du da!«, sagte ein Soldat.
»Ja?«, erwiderte Mumm.
»Führst du hier das Kommando?«
»Ja. Kann ich dir helfen?«
»Wo sind deine Männer?«
Mumm deutete mit dem Daumen zu der weiter wachsenden Barrikade. Ganz oben schnarchte Frau Rudolfs Vater friedlich vor sich hin.
»Aber das ist eine Barrikade!«, stellte der Soldat fest.
»Gut erkannt.«
»Der Mann dort winkt mit einer
Fahne
!«
Mumm drehte den Kopf. Es war Reg, welch eine Überraschung.
Jemand hatte die alte Fahne aus Tildens Büro geholt und sie auf die Barrikade gepflanzt. Und Reg war genau der Typ, der mit jeder zur Verfügung stehenden Fahne winkte.
»Wir sind nur ein bisschen ausgelassen, Herr«, sagte Mumm. »Keine Sorge. Es geht uns allen gut.«
»Es ist eine verdammte
Barrikade,
Mann. Eine Rebellenbarrikade!«, betonte der zweite Soldat.
Meine Güte, dachte Mumm. Sie haben makellos glänzende Brustharnische und wundervolle, unerfahrene, rosige Gesichter. »Das stimmt nicht ganz. Eigentlich…«
»Bist du dämlich, Mann? Weißt du nicht, dass der Patrizier befohlen hat, alle Barrikaden zu beseitigen?«
Der dritte Reiter hatte Mumm aufmerksam gemustert, trieb nun sein Pferd an und kam ein wenig näher.
»Was bedeutet die kleine Krone da?«, fragte er.
»Sie weist darauf hin, dass ich kein gewöhnlicher Feldwebel bin, sondern Oberfeldwebel. Und wer bist du?«
»Das braucht er dir nicht zu sagen!«,
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