Die Nachtwächter
wischte sich die Stirn ab.
»O ja. Aber wir haben ihnen geraten, nicht auf unbewaffnete Omas zu schießen. Wir wollen schließlich keinen zweiten Zwischenfall wie bei den Tollen Schwestern.«
Der Major starrte auf die Karte und suchte nach einer Lösung. »Und was
hat
Feldwebel Franklin als Elfjähriger angestellt?«, fragte er geistesabwesend.
»Das hat seine Oma nicht gesagt.«
Plötzliche Erleichterung erfasste den Major. »Weißt du, was aus dieser Situation geworden ist, Hauptmann?«
»Du wirst es mir sicher gleich sagen, Stefan.«
»Das werde ich, Thomas. Etwas
Politisches
ist daraus geworden. Wir sind Soldaten. Politik geht weiter nach oben.«
»Du hast
Recht
, Stefan. Ausgezeichnet!«
»Nimm einen Leutnant, der in letzter Zeit ein wenig nachlässig gewesen ist, und beauftrage ihn, den Kommandeuren Bericht zu erstatten«, sagte der Major.
»Ist das nicht ein bisschen grausam, Stefan?«
»Ja. Aber so ist das eben mit der Politik.«
Lord Albert Selachii hielt nicht viel von Partys. Dabei war immer zu viel Politik im Spiel. Und von dieser Party hielt er besonders wenig, denn sie verlangte von ihm, sich im gleichen Zimmer aufzuhalten wie Lord Winder, den er tief in seinem Innern für einen »üblen Mann« hielt. In seinem persönlichen Vokabular gab es keine größere Verurteilung. Und was alles noch schlimmer machte: Während er versuchte, Lord Winder zu meiden, musste er auch darauf achten, Lord Venturi aus dem Weg zu gehen. Ihre Familien verachteten sich höflich. Lord Albert wusste nicht, welches Ereignis in der Geschichte den Zwist ausgelöst hatte, aber es musste sehr wichtig gewesen sein, sonst wäre es dumm, die gegenseitige Verachtung fortzusetzen. Als Bergklane hätten sich die Selachii und Venturi hingebungsvoll befehdet und bekämpft. Aber da sie zwei der führenden Familien in Ankh-Morpork waren, brachten sie sich eisige, von Bosheit erfüllte Höflichkeit entgegen, wenn die Umstände sie zu einer Begegnung zwangen. Lord Alberts vorsichtiger Kurs durch die weniger gefährlichen politischen Bereiche der verdammten Party führte ihn unglücklicherweise direkt zu Lord Charles Venturi. Es war schon schlimm genug, dass er mit diesem Burschen an einem Feldzug teilnehmen musste, fand Lord Albert. Er wollte nicht auch noch gezwungen sein, mit ihm über den nicht besonders guten Wein zu reden. Aber leider boten die aktuellen Gezeiten der Party keine Möglichkeit zu fliehen, ohne unhöflich zu sein. Erstaunlicherweise erlaubte es die Etikette der Oberschicht von Ankh-Morpork, einen guten Freund zu brüskieren; aber es war der Gipfel des schlechten Benehmens, zum ärgsten Feind unhöflich zu sein.
»Venturi«, sagte Lord Albert und hob sein Glas um den sorgfältig berechneten Bruchteil eines Zentimeters.
»Selachii«, erwiderte Lord Venturi und erwiderte die Geste.
»Dies ist eine Party«, sagte Albert.
»In der Tat. Wie ich sehe, stehst du aufrecht.«
»In der Tat. So wie du, wie ich sehe.«
»In der Tat. Da wir gerade dabei sind: Viele andere stehen ebenfalls aufrecht.«
»Was keineswegs bedeutet, dass die horizontale Position nicht gewisse Vorzüge hat, zum Beispiel beim Schlafen«, sagte Albert.
»Das lässt sich kaum leugnen. Allerdings kommt so etwas hier nicht in Frage.«
»Oh, in der Tat.« 9
Eine recht munter wirkende Frau in einem prächtigen violetten Kleid tänzelte durch den Ballsaal. Das Lächeln ging ihr voraus.
»Lord Selachii?«, sagte sie und bot ihm die Hand an. »Wie ich hörte, hast du ausgezeichnete Arbeit geleistet, uns vor dem Pöbel zu schützen!«
Seine Lordschaft hatte den sozialen Autopiloten eingeschaltet und verbeugte sich steif. Er war nicht an direkte Frauen gewöhnt, und Madame war ganz Direktheit. Andererseits waren alle sicheren Themen mit einem Venturi erschöpfend behandelt.
»Ich fürchte, du bist mir gegenüber im Vorteil, Madame…«, murmelte er.
»Das will ich hoffen!«, erwiderte Madame und bedachte ihn mit einem so strahlenden Lächeln, dass er ihre Worte nicht analysierte. »Und wer ist dieser beeindruckende militärische Herr? Vielleicht ein Waffenbruder?«
Lord Selachii zögerte. Er war mit dem Wissen aufgewachsen, dass man Männer
Frauen
vorstellte, und diese lächelnde Dame hatte ihm nicht ihren…
»Lady Roberta Meserole«, sagte sie. »Für die meisten Leute, die mich kennen, bin ich Madame. Meine Freunde nennen mich Bobbi.«
Lord Venturi schlug die Hacken zusammen. Er war schneller von Begriff als sein »Waffenbruder«, und seine
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